Mit einem staatlichen Deutschlandfonds soll privates Kapital aktiviert und jährlich ein Investitionsvolumen von 100 Milliarden Euro geschaffen werden, ferner sollen die Einkommens-, Erbschaft- und Schenkungssteuer sowie auch die Schuldenbremse reformiert werden, Superreiche sollen zusätzliche Abgaben leisten. Das geht aus einem Entwurf für den wirtschaftspolitischen Leitantrag für den Bundesparteitag im Dezember hervor. Das SPD-Präsidium befasst sich an diesem Montag mit dem 21-Seiten-Papier, das der Parteivorstand am 13. November beschließen will. Hauptziel ist, den Industriestandort zu stärken, Bildungschancen zu sichern und Vertrauen in den Staat zurückzugewinnen.
Der Leitantrag, der als programmatische Leitlinie für das Wahlprogramm 2025 dienen soll, dürfte aber zu Diskussionen mit den Koalitionspartnern FDP und Grünen führen. So sieht die SPD Spielraum für eine weitere Erhöhung des Mindestlohns und spricht sich für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich aus. Konkrete Angaben zu Summen und Daten werden nicht gemacht. In der Einleitung heißt es: "Deutschland ist in vielen Bereichen zu kompliziert, zu teuer, zu langsam geworden." Die wachsende Ungleichheit sei eine der größten Gefahren für die Demokratie.
Die SPD-Parteispitze wirbt für eine Grundgesetzänderung zur Reform der Schuldenbremse. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig, für die auch die Zustimmung der oppositionellen Union nötig wäre. "Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form ist ein Standort- und Wohlstandsrisiko für Deutschland geworden. Sie bremst den notwendigen Wandel", heißt es in dem Papier. Die Schuldenregeln müssten so geändert werden, dass mehr Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung möglich seien. Die vergangenen Krisen hätten gezeigt, dass der Markt allein nicht in der Lage sei, Sicherheit im Wandel und Wohlstand für alle zu gewährleisten. "Wer immer noch glaubt, dass der Markt alles regelt, schaut nicht genau hin oder ignoriert die Realitäten."
Mit einer Einkommensteuerreform sollen 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger entlastet werden. Um dies zu finanzieren, sollen "diejenigen, die reichensteuerpflichtig sind, zusätzlich eine temporäre Krisenabgabe beisteuern." Ferner soll der Solidaritätszuschlag, der heute in der Einkommensteuer nur noch von Spitzeneinkommen bezahlt werde, als "Zukunftsabgabe" neu begründet und weitergeführt werden. "Gleichzeitig werden wir die Erbschafts- und Schenkungssteuer so reformieren, dass Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen." Diese zusätzlichen Steuereinnahmen in den Bundesländern sollten diese vollständig in die Bildung investieren. Die SPD schlägt dazu einen Deutschlandpakt Bildung vor.
Die SPD beklagt, dass entgegen dem in der EU-Mindestlohnrichtlinie vorgegeben Ziel einer Tarifbindung von 80 Prozent in allen Mitgliedsstaaten in Deutschland in nur knapp unter 50 Prozent der Betrieben Tariflohn gezahlt wird. Um dem entgegenzuwirken, sollten öffentliche Aufträge an die Kriterien Tarifbindung, Standortentwicklung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierungsstrategien gebunden werden. Der Vorschlag der Mindestlohnkommission, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in den kommenden beiden Jahren in zwei Stufen um jeweils 41 Cent anzuheben, sei unfair und unangemessen. Die SPD will, dass die Höhe "politisch" überprüft wird.
Zur Arbeitszeit heißt es in dem Leitantrag: "Die SPD unterstützt die Gewerkschaften politisch überall dort, wo sie einen neuen Anlauf zur Arbeitszeitverkürzung unternehmen (...) Unser langfristiges Ziel sind Lösungen, die zu einer gesamtgesellschaftlichen Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverluste und Personalengpässe führen."
Energie werde im internationalen Vergleich noch einige Zeit teuer bleiben – deshalb seien zeitlich befristete Maßnahmen zur Senkung des Strompreises – "beispielweise durch einen Industriestrompreis" nötig, um Planungssicherheit für grüne Investitionen zu schaffen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dafür bisher allerdings nicht offen gezeigt. Unternehmen, die von einem Industriestrompreis profitierten, müssen sich aber zu effizienterem Energieeinsatz und klimaneutralem Umbau ihrer Anlagen verpflichten. Kleinere und mittlere Betriebe und Haushalte sollten bei den höheren Stromkosten durch eine Palette von Maßnahmen entlastet werden.