Es sind die Nachbeben des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November. Danach fehlen der Ampelkoalition wohl nicht nur 60 Milliarden Euro aus dem schuldenfinanzierten Klima- und Transformationsfonds (KTF), sondern es steht auch noch der ebenfalls schuldenfinanzierte 200 Milliarden Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds infrage. Kann das die Ampel sprengen? "Nein", sagt Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Sie müsse nur eine weitere große Herausforderung bewältigen – und werde diese bestehen.
Nach außen versucht die Regierung zu beruhigen. Scholz mahnt, nicht jeder müsse gleich "rausplappern", was ihm gerade auf dem Herzen liege. Aber intern brennt die Hütte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) beriet sich in der Nacht zum Mittwoch mit Scholz im Kanzleramt. Am Mittag verkündeten die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP gemeinsam, die Haushaltsberatung werde verschoben. Ein Beschluss vor Weihnachten ist nicht ausgeschlossen, in der zweiten Dezemberwoche ist die letzte Bundestags- und Bundesratssitzung in diesem Jahr. Andernfalls sind ab Januar 2024 nur Ausgaben möglich, die die Verwaltung aufrechterhalten und rechtliche Verpflichtungen erfüllen.
Die Union – erfolgreiche Klägerin in Karlsruhe – hat schon einmal einen Ausweg verstellt: Sie schließt ein schuldenfinanziertes Klima-Sondervermögen (analog zu dem 100-Milliarden-Topf für die Bundeswehr) sowie eine Reform der Schuldenbremse aus. Das sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU). Für beide Maßnahmen wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig, die die Ampel ohne die Union nicht erreicht.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, sagte, es sei nicht die Zeit "für parteipolitische Grabenkämpfe". Ohne massive Investitionen in Bildung, Menschen mit niedrigen Einkommen, soziale Einrichtungen, Schiene, Energienetze und energieintensive Industrien werde Deutschland den Sprung in eine klimagerechte Wirtschaft nicht schaffen. Die Schuldenbremse müsse ausgesetzt werden.
Zahlreiche Fragen, was die vom Finanzministerium verfügten Haushaltssperren für die Bürgerinnen und Bürger konkret bedeuten, blieben am Mittwoch von den zuständigen Ministerien weitgehend unbeantwortet. Man wolle den Prüfungen nicht vorgreifen, hieß es.
Die größten Auswirkungen gibt es zwar im Klimaschutz. Hier ist aber die energetische Gebäudesanierung inklusive der mit dem "Heizungsgesetz" verbundenen Förderung von den Sparmaßnahmen ausgenommen. Alle entsprechenden Förderprogramme laufen ohne Abstriche weiter. Andere Programme zum Beispiel zum Ausbau der E-Mobilität, zur Wasserstofftechnologie, zur Bahn oder zur kommunalen Wärmeversorgung sind zunächst auf Eis gelegt. Es gibt also bis auf Weiteres keine neuen Förderzusagen. Darunter fallen nach gegenwärtigem Stand auch die Kaufprämie für E-Autos oder Zuschüsse für Ladesäulen. Grundsätzlich gilt aber: Wer einen gültigen Förderbescheid in den Händen hält, muss sich keine Sorgen machen. Die dort genannten Beträge sind garantiert.
Bundesfinanzminister Lindner hat den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), aus dem die Energiepreisebremsen bezahlt werden, zwar mit einer Haushaltssperre belegt. Das Finanzministerium versichert aber, dass die Auszahlung der Preisbremsen für Strom und Gas in diesem Jahr nicht davon nicht betroffen ist. Niemand muss also Sorge haben, die Zahlungen würden gestoppt oder müssten zurückerstattet werden. Aber Achtung: Die Energiepreisbremsen sind befristet bis zum 31. Dezember 2023. Es ist nach dem aktuellen Stand damit zu rechnen, dass sie dann endgültig beendet werden und der WSF abgewickelt wird. Wer laut Vertrag für seinen Strom mehr als 40 Cent je Kilowattstunde und für Gas mehr als 12 Cent je Kilowattstunde zahlt, sollte sich umgehend darum kümmern, preiswertere Anbieter zu finden. Das ist kein Problem, da die aktuellen Marktpreise derzeit darunter liegen.
Eine Abwicklung des WSF könnte weitere Folgen haben, weil aus ihm auch die sogenannten Netzentgelte staatlich subventioniert werden. Sie machen rund ein Viertel des Strompreises aus. Offen ist allerdings derzeit, ob die Zuschüsse tatsächlich wegfallen – und wenn ja, wie stark der Strompreis dann steigt.
Staatliche Leistungen wie das Bürger- oder Kindergeld oder Rentenzahlungen werden ohne Abstriche weitergezahlt. Auch die Sozialversicherungen sind nicht betroffen.
Inflationsprämie müssen nicht zurückgezahlt werden. Diese Prämien wurden von den Unternehmen ausgezahlt.
Ein "Herunterfahren" des Staates, einen "Shutdown" wie in den USA, gibt es in Deutschland nicht. Wurde bis zum 1. Januar 2024 kein Bundeshaushalt beschlossen, gilt die sogenannte vorläufige Haushaltsführung. Dabei erfüllt der Bund weiterhin alle finanziellen Verpflichtungen, die er eingegangen ist. Das betrifft insbesondere die Löhne und Gehälter seiner Angestellten sowie die gesetzlich festgelegten Zahlungen an die Bürgerinnen und Bürger – also Renten, Arbeitslosengeld, Elterngeld, Bürgergeld oder Kindergeld.