Ein gemeinsames Foto sollte es geben. Doch der serbische Minister Ivica Dacic ließ den Termin aus. Ein Dokument, das ihn mit der kosovarischen Ministerin Donika Gërvalla-Schwarz zeigt, war offenbar zu viel verlangt. Serbien erkennt seine einstige Teilregion nicht als eigenständigen Staat an. Die anhaltenden Spannungen sind in den vergangenen Monaten mit serbischen Attacken unter anderem auf internationale KFOR-Soldaten und auf Polizisten wiederholt eskaliert.
Richtig entspannt sind die Voraussetzungen für den Westbalkangipfel also nicht, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag ebenfalls nach Tirana reist. Berliner Prozess heißt das Format, das vor einigen Jahren Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel etabliert wurde. Das Ziel: Den EU‑Beitritt erleichtern, indem die regionale Zusammenarbeit zwischen Bosnien, Serbien, dem Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Albanien gestärkt wird – schließlich müsste die in der EU auch funktionieren.
Außerdem sollen die Balkanstaaten an den Westen gebunden werden, um die russische oder auch die chinesische Einflusssphäre nicht zu vergrößern. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe verdeutlicht, dass die EU‑Erweiterung geostrategisch notwendig sei, sagt Außenministerin Annalena Baerbock. Mit Bedacht reiste Scholz vor seinem ersten Besuch in der Ukraine auf den Balkan – auch, um zu signalisieren, dass der neue Fokus auf der in die EU drängenden Ukraine die bisherigen EU‑Interessenten nicht aus dem Blick geraten lässt. Die Ampelregierung wollte den Berliner Prozess wiederbeleben, an dem von EU‑Seite neben Deutschland, Frankreich, Italien, Griechenland, Kroatien, Österreich, Polen und Slowenien beteiligt sind.
Aber sichtbare Fortschritte gibt es seit dem letzten Treffen in Berlin vor einem Jahr kaum. Die Spannungen zwischen Kosovo und Serbien laufen in die gegenteilige Richtung – nach Einschätzung von Fachleuten nicht ganz zufällig: Der russische Einfluss auf Serbien ist groß, das Land ist abhängig von russischen Energieimporten. Und mit Sicherheit ist das Interesse Russlands an einem EU‑Beitritt Serbiens eher gering. Und nach Entspannung sieht es erst mal nicht aus: Die internationale KFOR-Truppe wird verstärkt.
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat am Freitag Neuwahlen ausgerufen – im Wahlkampfmodus ist Kompromissbereitschaft eher selten. Auch in Bosnien gibt es starke nationalistische Kräfte. In Montenegro hat sich der designierte Ministerpräsident Milojko Spajic entschieden, sich von proserbischen und prorussische Parteien unterstützen zu lassen. Montenegro und Serbien verhandeln seit mehreren Jahren über einen Beitritt, Nordmazedonien und Albanien nach einem längeren Vorbereitungsprozess seit 2022. Bosnien befindet sich eine Stufe davor im Kandidatenstatus und der Kosovo gilt als potenzieller Kandidat. Auf dem Vorbereitungsgipfel vor zehn Tagen mahnte Baerbock, es gelte, "die vielen glimmenden Feuer" auf dem Westbalkan endlich zu löschen.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne) bemühte sich um Optimismus. Er hoffe, dass der Westbalkangipfel dazu beitrage, "dass die Länder des westlichen Balkan enger zusammenarbeiten", sagte er. "Ziel muss es sein, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern."
Mitten im Ukraine-Krieg droht die Eskalation eines weiteren Dauerkonflikts in Europa. Im serbisch besiedelten Gebiet im Kosovo ist es wieder zu einer gefährlichen Situation gekommen. Brüssel und Washington dringen auf Entspannung und würden sogar eine Teilung des Kosovo in Kauf nehmen – doch die ist mit dem kosovarischen Regierungschef nicht zu machen.
Gleichzeitig allerdings warnte er Serbien, mit Eskalationen seinen EU‑Beitritt aufs Spiel zu setzen. Die EU müsse endlich ihre Türen öffnen "für alle, die die Beitrittsbedingungen erfüllen", sagte er. Es müsse aber auch "klar sein, dass für alle, die in der Region den Frieden gefährden, kein Weg in die EU führt. Der serbische Präsident Vucic spielt mit der Zukunft des Landes."