"Huawei hat die Blockade der Vereinigten Staaten durchbrochen und eine Leistung erbracht, die ich würdigen möchte", begründet ein Nutzer auf der Onlineplattform Weibo seine Smartphone-Wahl. Ein anderer meint: "Es ist eine Ehre, dass ich kein einziges Produkt von Apple gekauft habe. Meine ganze Familie benutzt ausschließlich Huawei." Zudem sei die heimische Marke aus Shenzhen längst zum Statussymbol der Macht geworden, wie ein User schreibt: "Wenn du rausgehst und dich umschaust, dann verwenden alle Chefs, Beamte oder Angestellte von Staatsunternehmen entweder Huawei oder andere heimische Marken. Wenn du also ein Huawei kaufst, dann werden die Leute denken, dass du gute Verbindungen hast."
Tatsächlich erwarten Expertinnen und Experten, dass das neue Mate 60 bis Jahresende bis zu sechs Millionen Einheiten absetzen könnte. Bei einem Gesamtmarkt von rund 280 Millionen Smartphone-Verkäufen jährlich bleibt allerdings offen, wie viel Anteile Huawei tatsächlich von Apple übernehmen kann. Derzeit halten die US-Amerikaner mit stolzen 67 Prozent die Pole Position, während Huawei mit 15,6 Prozent auf Platz zwei kommt.
Die Zahlen zeigen mehr als deutlich, dass Apple in China nach wie vor ein sehr gutes Geschäft macht. Und auch der imposante Flagship-Store im Pekinger Shopping-Viertel Sanlitun, ein kubistischer Glasbau, ist an diesem Freitagabend mit weit über 100 Kunden überaus gut besucht. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beim Huawei-Store befinden sich zur selben Zeit nur ein knappes Dutzend Interessierte im Laden.
Doch die Stimmung kann sich schnell ändern, und das auch mit staatlicher Hilfe. Wie das "Wall Street Journal" als Erstes berichtete, haben Beamte der Zentralregierung ihre Mitarbeiter angewiesen, künftig nicht mehr mit Apple-Produkten auf der Arbeit zu erscheinen. Und bei vielen Staatsunternehmen werden seit einigen Jahren bereits nur noch heimische Technologieprodukte angeschafft. Dementsprechend geht die Causa "Apple versus Huawei" über den Einzelfall hinaus. Sie steht vielmehr systematisch dafür, wie rasant sich die Stimmung auf dem chinesischen Markt wandelt: Heimische Produkte werden mit patriotischem Stolz aufgeladen, während die Marken aus dem Westen regelrecht stigmatisiert werden.
Das prominenteste Beispiel lieferte vor zwei Jahren die schwedische Modefirma H&M. Nachdem diese aus Bedenken vor möglicher Zwangsarbeit keine Baumwolle mehr aus der nordwestchinesischen Region Xinjiang einkaufte, rief die kommunistische Jugendliga zum Boykott auf. Der nationalistische Internetmob wütete schon bald in der analogen Welt: Vor etlichen H&M-Filialen, die über Nacht wie ausgestorben wirkten, kam es zu hitzigen Protesten. Und die großen E-Commerce-Plattformen verbannten das Unternehmen kurzerhand aus ihren Apps.
In den folgenden Monaten gewannen heimische Textilfirmen wie Anta Sports, die zuvor als Billigvarianten zu Adidas und Co. wahrgenommen wurden, massiv an Beliebtheit – nicht zuletzt, weil sie offensiv mit ihrem Patriotismus warben: So versprachen sie auf Werbeplakaten stolz, dass sie ausschließlich Baumwolle aus Xinjiang beziehen, und ließen auf ihren T-Shirts riesige China-Fahnen drucken.
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Stimmung einst eine ganz andere war. Noch vor wenigen Jahren ist selbst die Parteiführung in Peking mit schwarzen Audis durch die Innenstadt gedüst. Längst jedoch stammen die Regierungslimousinen allesamt von der Marke Hongchi, zu deutsch "rote Flagge".
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