Unterdessen bröckelt der Rückhalt in seiner eigenen Partei. Mehrere SPD-Ministerpräsidenten und -präsidentinnen stellten sich auf die Seite der Bauern und fordern die Regierung auf, die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zurückzunehmen.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Montag nach Gesprächen mit Landwirten bei einer Protestaktion in Bad Doberan: "Die Bauern sind stinksauer. Und das zu Recht, weil ihnen über Nacht ohne Vorankündigung zwei Finanzierungsgrundlagen entzogen werden sollen."
Es sei gut, dass die Bundesregierung die Pläne zur KfZ-Steuer vom Tisch genommen habe. "Aber jetzt müssen auch die Pläne zum Agrardiesel vom Tisch", betonte Schwesig. Es sei wichtig, dass dazu unverzüglich mit den Landwirten gesprochen und der Streit beigelegt werde. Die Art und Weise der Ampel-Koalition, über Nacht zu entscheiden, ohne mit den Bauern zu reden, habe das Fass zum Überlaufen gebracht.
Schwesig hatte am Morgen bei Bad Doberan gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Till Backhaus (beide SPD) das Gespräch mit protestierenden Landwirten gesucht und dabei Verständnis für deren Haltung geäußert. Die Landwirte hätten von den Entscheidungen der Bundesregierung aus der Presse erfahren. Das sei kein guter Umgang, kritisierte Schwesig. "Da muss die Bundesregierung zukünftig wirklich eine andere Art von Politik an den Tag legen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Backhaus lobte ausdrücklich die gute Organisation der Proteste und dankte sowohl dem Bauernverband als auch Polizei und Innenbehörden. Alles sei sehr friedlich und an der Sache orientiert verlaufen. "Wir brauchen die Landwirtschaft zum Leben, sie produziert unsere Lebensmittel", so Backhaus. Die Agrarwirtschaft sei ein Volkswirtschaftszweig von großer Bedeutung, der auch in Zukunft dringend benötigt werde.
Wie Schwesig hatte auch der niedersächsische SPD-Regierungschef Stephan Weil den Bund aufgefordert, die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zurückzunehmen. Die Bundesregierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, sagte der SPD-Regierungschef am Montag im ZDF-Morgenmagazin. "Ich glaube, dass die beiden Vorschläge eine Branche doch stärker treffen als andere", sagte Weil. Die Landwirte seien auch von anderen Maßnahmen betroffen, wie unter anderem dem höheren CO2-Preis, der zu höheren Kraftstoffkosten führe. "Das ist ja der eigentliche Grund, warum die Landwirte sich schlechter behandelt fühlen als viele andere Teile der Gesellschaft", sagte Weil.
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich beim Protest Hunderter Landwirte in Potsdam hinter deren Anliegen gestellt. "Ich kann der Bundesregierung nur raten, die Kürzungen komplett zurückzunehmen", sagte Woidke am Montag. Er sprach in der Menschenmenge zunächst mit mehreren Landwirten und kletterte dann auf ein Kranfahrzeug. Er rate der Bundesregierung auch, den Dialog zu suchen.
"Landwirtschaft braucht Planungssicherheit, deswegen sind diese Dinge, wie sie entschieden worden sind über Nacht – kurzfristig ohne Abstimmung mit dem Berufsstand – von vornherein falsch gewesen", sagte Woidke. Zahlreiche Traktoren blockierten vor der Staatskanzlei die Straße. In der RBB-Sendung "Brandenburg Aktuell" bekräftigte er seine Forderungen: "Diese Subventionen tragen ja dazu bei, dass auch ein Land wie Brandenburg mit relativ kargen Böden, mit relativ schwachen Böden landwirtschaftlich wettbewerbsfähig bleibt." Das bedeute, dass die Brandenburger Kulturlandschaft bewirtschaftet und erhalten werden könne. Die Landwirtschaft sei "Herz und Rückgrat unserer ländlichen Regionen", betonte Woidke.
Der Regierungschef stellte den Landwirten in Brandenburg mögliche Unterstützung des Landes in Aussicht. Er werde sich in den nächsten Tagen mit dem Vorstand des Landesbauernverbands zusammensetzen, um zu prüfen, wie die Planungssicherheit für die Betriebe verbessert werden könne, sagte Woidke.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte sich bereits im Dezember gegen das geplante Ende von Steuervergünstigungen für Landwirte ausgesprochen. "So abrupt die Subventionierung der Bauern zu streichen, das halte ich für nicht machbar", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Und deshalb muss es im parlamentarischen Verfahren noch eine andere Lösung geben." Landwirte könnten nur mit ihren Traktoren und Maschinen arbeiten. Eine Subventionsstreichung habe "keine Lenkungswirkung", sondern mindere nur die Einkommen.
Viele Bauern hätten aber angesichts der harten Arbeit und ihrer Leistung für die Gesellschaft "ein Auskommen, wo man nicht noch unbedingt etwas wegstreichen muss". Und sie hätten auch keine Möglichkeit, die Arbeit umzustellen und etwa mit der Sense in der Hand etwas fürs Klima zu tun. "Bei den Landwirten, die keinerlei Reaktionsmöglichkeit haben, jetzt anzusetzen mit einer Milliarde Euro insgesamt im Volumen, das halte ich auch für unverhältnismäßig", sagte die Ministerpräsidentin. "Ich glaube, das geht so nicht, das kann man so nicht machen."
Es sei "ein Dilemma, das jetzt in der Kürze der Zeit 17 Milliarden Euro eingespart werden müssen", sagte Rehlinger. "Das ist nun mal bedauerlicherweise so, dass das nicht unbemerkt passieren kann." Es werde "natürlich auch Belastungen" durch die Einsparungen geben: "Und man wird nicht bei allen Vorschlägen, die man in den nächsten Tagen und Wochen sehen wird, jeweils noch mal sagen können: Da jetzt gerade wieder nicht."
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sich für einen Dialog mit den Bauern ausgesprochen. "Wir brauchen auf Bundesebene einen Dialog für eine gute Zukunft unserer Landwirtschaft, der eine langfristige Perspektive und Planbarkeit schafft", sagte die SPD-Politikerin am Montag bei ihrem Neujahresempfang in der Staatskanzlei in Mainz. Notwendig sei eine "ganz andere Verlässlichkeit für die Zukunft".
Die rheinland-pfälzische Landesregierung stehe an der Seite der Bauern, sagte Dreyer zu den Vertretern des Bauern- und Winzerverbands im Saal. Sie bedankte sich dafür, dass der Protest am Montag friedlich verlaufen sei.
Sie habe Verständnis, dass Landwirte gegen geplante Kürzungen auf die Straße gehen, betonte Dreyer. Dies sei auch nicht verwunderlich, wenn die Bundesregierung Einschnitte von heute auf morgen verkünde, mit denen vorher niemand gerechnet habe. "Kein Verständnis habe ich für Bauernkriegssymbolik, Verunglimpfung unseres Staates und schon gar nicht für persönliche Angriffe, wie den gegen Wirtschaftsminister (Robert) Habeck (Grüne)." Deswegen sei es gut, dass sich der deutsche Landwirtschaftsverband gegen eine Unterwanderung durch Rechts-Extremisten und Staatsfeinde abgrenze.
Es sei wichtig in einer Demokratie, nicht auf Maximalforderungen zu beharren, sondern konstruktiv an einem Kompromiss mitzuarbeiten. "Die Bundesregierung hat gehört und einen Kompromiss-Vorschlag gemacht." Das grüne Nummernschild bleibe steuerfrei. Die Subvention auf Agrardiesel werde langsamer abgeschmolzen. "Und auch auf EU-Ebene haben die Landwirte und Winzer bereits ihre Interessen durchgesetzt", sagte Dreyer. "Glyphosatverbot, mehr Naturflächen, Warnhinweise auf Weinflaschen – kommt alles nicht so, wie geplant."