Dass in der Migrations- und Asylpolitik Handlungsbedarf besteht, mahnen Länder und Kommunen, die sich um die Unterbringung und Versorgung einer wachsenden Zahl von Schutzsuchenden kümmern müssen, seit Monaten an. Auch in den zurückliegenden Wahlkämpfen in Hessen und Bayern, wo die Ampel-Parteien Verluste hinnehmen mussten, spielte die Asylpolitik eine nicht unwesentliche Rolle - obgleich Entscheidungen dazu hauptsächlich auf Bundesebene getroffen werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte am Mittwoch die Grundzüge eines Gesetzentwurfs vor, der nach Angaben ihres Ministeriums in Kürze vom Bundeskabinett beraten werden soll. Er zielt darauf ab, die Zahl von Abschiebungen, die im letzten Moment scheitern, zu reduzieren. Außerdem sollen die Ausländerbehörden durch verlängerte Fristen entlastet werden. Länder und Verbände könnten nun zu dem Entwurf Stellung nehmen, hieß es aus dem Innenministerium. Parallel laufe die weitere Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet.
Den Angaben zufolge soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Damit erhielten die Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Erleichtert werden soll zudem die Ausweisung von Schleusern. Bei Mitgliedern krimineller Vereinigungen sollen hinreichende Tatsachen, die eine Mitgliedschaft belegen, für eine Ausweisung ausreichen - unabhängig von einer individuellen strafgerichtlichen Verurteilung. Ist ein Ausreisepflichtiger in Haft, müsste ihm, wenn die Pläne so beschlossen werden sollten, eine Abschiebung künftig nicht mehr angekündigt werden. Ermöglicht werden soll außerdem die Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen, um die Identität eines Ausländers zweifelsfrei klären zu können.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: "Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern."
Um der humanitären Verantwortung für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gerecht zu werden und das Grundrecht auf Asyl zu schützen, sei es notwendig, die irreguläre Migration deutlich zu begrenzen, sagte Faeser. Sie greift in ihrem Entwurf auch Vorschläge einer Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kommunen auf, die nach einem Treffen im Bundesinnenministerium Mitte Februar gebildet worden war. Beispielsweise sollen Aufenthaltserlaubnisse von subsidiär Schutzberechtigten künftig nicht nur ein Jahr, sondern drei Jahre gültig sein. Die Gültigkeitsdauer von Aufenthaltsgestattungen im Asylverfahren soll von drei auf sechs Monate verlängert werden. Beides soll für eine Entlastung der Behörden sorgen. Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
"Die Verschärfung der Rückführungsregeln ist überfällig", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz. Einiges von dem, was nun in dem Entwurf von Faeser enthalten sei, sei von der Union schon 2019 vorgeschlagen, damals aber von der SPD blockiert worden.
Scholz hatte den Begriff "Deutschlandpakt" bei einer Generaldebatte im Bundestag eingeführt und eine nationale Kraftanstrengung zur Modernisierung des Landes gefordert. Dazu sollten Ampel-Koalition, Opposition, Länder und Kommunen besser als bisher zusammenarbeiten, um Deutschland schneller, moderner und sicherer zu machen. Zuletzt hatte Hessens Ministerpräsident Rhein, der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, gesagt, er wolle den Pakt ablehnen, falls zentrale Fragen der Migration nicht aufgenommen würden. Merz machte nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern ebenfalls deutlich, die Bundesregierung müsse ihre Politik ändern.
Über die Herausforderungen durch die gestiegene Zahl von Ukraine-Flüchtlingen und Asylbewerbern werden die Ministerpräsidenten ab Donnerstag bei einem Treffen in Frankfurt am Main sprechen. Die Länder verlangen eine an die Zahl der Ankommenden gekoppelte Beteiligung des Bundes an den Kosten sowie eine beschleunigte Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Zwischen Anfang Januar und Ende September haben in Deutschland 233 744 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, rund 73 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Dass die Kommunen mehr Geld brauchen, um Geflüchtete zu versorgen, finden auch die Grünen. Viele von ihnen seien "am Limit oder darüber hinaus", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Das sei eine ernsthafte Belastungsprobe für den Zusammenhalt in Deutschland. Daher stehe die Regierung in der Pflicht, Migration besser zu steuern, um die Kommunen zu entlasten. Rückführungen, vor allem von Straftätern, sollten zügiger durchgesetzt werden. Gleichzeitig mahnte Habeck: "Wir sollten die Grenze des Anstands wahren. Angstmacherei und Wutschürerei machen alles nur schlimmer. Wir müssen an Lösungen arbeiten, statt Probleme unlösbar zu machen."
Habeck kündigte außerdem an, weitere Arbeitsverbote für Geflüchtete sollten wegfallen. Er sagte, es sei beispielsweise vereinbart worden, "dass Beschäftigungserlaubnisse für Geduldete künftig im Regelfall erteilt werden sollen, statt der bisherigen Ermessensregelung". In Form eines Gesetzentwurfs ist das aber noch nicht ausbuchstabiert.