Weil immer weniger Menschen positive Corona-Testergebnisse melden, gilt die Messung im Abwasser als wichtiger Indikator für das Infektionsgeschehen. Und die dort gemessene Viruslast ist so hoch wie noch nie seit Beginn der Messungen. Laut Pandemieradar des Gesundheitsministeriums tummeln sich 977.000 Genkopien pro Liter Abwasser in unserer Kanalisation. Das sind 54 Prozent mehr als in der Vorwoche (Messzeitraum 23.11. bis 29.11.).
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) riet deshalb zur Vorsicht. "Alle mit Risikofaktoren oder Ü60 sollten sich noch vor den großen Festfeiern impfen lassen. Leider ist Corona keine Erkältung, kann weiterhin dauerhafte Schäden hinterlassen", warnte er am Sonntag auf der Nachrichtenplattform X (ehemals Twitter). "Abwasser weist derzeit auf große Welle hin." Besteht also doch Grund zur Sorge?
Fachleute geben Entwarnung. "Zwar steigt derzeit die Viruslast im Abwasser wieder. Die Krankenhäuser sind aber weit von einer Situation wie in den Jahren 2020 und 2021 entfernt", sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Auch führt die aktuell vorherrschende Corona-Variante nur noch selten zu Krankenhausaufenthalten, da die Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen eine gute Grundimmunität erreicht hat."
Erkrankte könnten ihre Symptome in der Regel Zuhause auskurieren. Das größte Problem für die Krankenhäuser seien die steigenden Ausfallzahlen wegen Infektionen in der Mitarbeiterschaft. Gleichwohl solle das Virus aber nicht unterschätzt werden. "Eine Auffrischungsimpfung ist vor allem für Risikogruppen hilfreich und schützt vor unangenehmem Krankheitsverlauf auch ohne Krankenhausaufenthalt", sagte Gaß.
Auch die Situation auf den Intensivstationen ist derzeit nicht besorgniserregend. "Wir haben auf den Intensivstationen zwar auch seit Ende des Sommers immer mehr Covid-19-Patienten, aber das ist überhaupt kein Vergleich zu den Pandemiejahren", sagte Gernot Marx, Vize-Präsident der Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). "Die Situation hat sich grundlegend geändert."
Von den insgesamt rund 14.000 Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen seien nur 1.118 Corona-Fälle – von denen müsse rund jeder Dritte beatmet werden. "Der Anteil der Covid-Patientinnen und -Patienten ist noch in jedem Bundesland mit fünf bis acht Prozent gut händelbar." Mehr als 60 Prozent der Betroffenen auf Intensivstationen seien zwischen 70 und 80 Jahre alt. Der Anteil der Patientengruppe ab 60 Jahren steige aktuell.
"Man sollte entsprechend jetzt einfach klug und umsichtig handeln. Wir alle haben ja in den vergangenen Jahren unsere Erfahrungen gesammelt und wissen, dass wir uns mit FFP2-Masken schützen können, wie gute Hygienemaßnahmen Wirkung zeigen oder das das Lüften von Innenräumen generell im Winter einfach wichtig ist", empfiehlt Marx.