"Die Wahlen in Bayern und Hessen zeigen deutlich, dass es für die SPD kein ‚Weiter so‘ geben kann", sagt Schroeder, der Vorsitzender des Thinktanks Progressives Zentrum in Berlin ist. Es müsse jetzt ein "längerfristiger Erneuerungsprozess" stattfinden, der eine "personelle, programmatische und organisatorische Neuaufstellung" beinhalte.
Vor allem bei den Themen Migration und ökologische Transformation habe die Regierung versagt, erklärte Schroeder weiter: "Es war eine Protestwahl gegen den inhaltlichen Kurs in diesen Politikfeldern." Die Ampel müsse anfangen, "andere Akzente" zu setzen und "klarere Entscheidungen" zu treffen, um Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen.
Schon seit Monaten befinden sich SPD, FDP und Grüne quasi im Dauerstreit und debattierten hitzig über das umstrittene Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung oder die Asylpolitik. In der Bevölkerung hat das keinen guten Eindruck hinterlassen, wie die Wahlergebnisse in Hessen und Bayern zeigen. Profitiert davon hat vor allem die AfD, die erstmals in westdeutschen Ländern so hohe Ergebnisse erzielen konnte.
"Das ist eine Entwicklung mit Ansage", betonte Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des Markt- und Sozialforschungsinstituts Sinus. Der Erfolg sei auf "eine verunsicherte Mitte zurückzuführen". Politikwissenschaftler Schroeder erklärte, dass die AfD "die Themen zumindest benennt und damit den zornigen und unzufriedenen Bürgerinnen und Bürgern eine Sprache gibt". Zudem würden sich viele nicht davon mehr beeinflussen lassen, dass von einer rechtsextremen Partei gesprochen werde. Profitiert habe die AfD vor allem von der Migrationslage.
Stärkste Kraft in beiden Bundesländern wurde die Union. In Bayern musste sie zwar ein Minus von 0,2 Prozent hinnehmen, legte in Hessen dafür aber stark zu (+7,6 Prozent). Der Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein "scheint die Befindlichkeit einer größeren Zahl von Menschen abzuholen", sagte Schroeder und fügte an: "Stabilität, Kontinuität und geringe Profilierung kommen bei Wählerinnen und Wählern der Union gut an."
Mit seiner kooperativen Art würde Rhein auf eine andere Strategie als Parteichef Friedrich Merz setzen. "Dies scheint die Sicherheitsbedürfnisse einer beträchtlichen Zahl von Menschen eher zu erfüllen", erklärte der Politikwissenschaftler weiter. Für die Bundestagswahl könne das bedeuten, dass "eine gut aufgestellte Union" an die 40-Prozent-Marke herankommen könne.