Ein Fiasko für die Ampelkoalitionäre. Zwar soll auf den letzten Metern jetzt alles seine Wege gehen und das Gesetz am 8. September beschlossen werden. Doch das ändert nichts daran, dass der Weg dahin bisher mehr als holprig war.
2020: Gebäudeenergiegesetz verabschiedet. Was in der hitzigen Debatte oft untergeht: Ein Gebäudeenergiegesetz gibt es bereits. Es wurde noch unter der großen Koalition auf den Weg gebracht und 2020 verabschiedet. Es sah unter anderem schon Einschränkungen beim Einbau neuer Ölheizkessel oder Anforderungen für Neubauten vor. Bei den jetzigen Diskussionen geht es also um eine Novelle.
2021: Koalition strebt Novelle an. Und die wurde schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Als die drei Ampelparteien 2021 ihre Arbeit aufnehmen, versprechen sie, das Gebäudeenergiegesetz zu ändern. Im Koalitionsvertrag liest sich das so: "Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden; zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im GEG die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH 70 entsprechen; im GEG werden die Neubaustandards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen", heißt es dort. "Daneben können im Rahmen der Innovationsklausel gleichwertige, dem Ziel der THG-Emissionsreduzierung folgende Maßnahmen eingesetzt werden", versprachen die Ampelkoalitionäre.
Im Juli 2022 entscheidet die Ampelkoalition schließlich, dass die Gesetzesänderung doch schon im Januar 2024 in Kraft treten soll. Hintergrund der Entscheidung: Der Krieg in der Ukraine treibt die Gaspreise hoch und die Bundesregierung verfehlt ihre Klimaziele in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Das Wirtschaftsministerium veröffentlicht ein Papier, in dem es heißt: "Der Ukraine-Krieg zeigt einmal mehr, dass Deutschland die Transformation der Wärmeversorgung beschleunigen muss, um Versorgungssicherheit, die Erreichung der Klimaziele, aber auch die Bezahlbarkeit von Wärme weiter gewährleisten zu können."
Lange ist es ruhig um die Novelle – bis im Februar 2023 ein Gesetzesentwurf durchgestochen wird, über den die "Bild"-Zeitung berichtet. Es ist der Beginn einer monatelangen Debatte, in der die Begriffe "Heizhammer", "Heizverbot" und "Energie-Stasi" fallen, MarathonSitzungen gehalten und immer wieder Nachbesserungen gefordert werden.
Ende März 2023 befasst sich der Koalitionsausschuss erneut mit dem Gesetz – und erzielt eine Einigung. Zwar bleibt es im Kern dabei, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden soll. Aber es werden Ausnahmen, Übergangsfristen und eine umfassende Förderung versprochen.
Wer meint, dass damit nun alles geklärt ist, wird nur wenig später eines Besseren belehrt. Besonders zwischen den Fraktionen der Grünen und der FDP sind die Gräben groß. Zwar stimmten die Liberalen dem weitgehenden Einbauverbot grundsätzlich zu – allerdings gibt es weiterhin Zoff um die Details. Finanzminister Lindner (FDP) verfasst eine Protokollerklärung, in der er erklärt, dass er dem Entwurf nur in dem Bewusstsein zustimme, dass die Fraktionen diesen Entwurf im parlamentarischen Verfahren noch "intensiv beraten und notwendige Änderungen" vornehmen werden.
April: Nach wochenlangem Gezerre bringt das Bundeskabinett den Gesetzentwurf auf den Weg. Vorgestellt werden dabei auch Pläne für eine Förderung. Die Opposition kann das allerdings nicht überzeugen. Die geplanten Fördersätze seien von der Höhe her ein "Witz", kritisiert Unionsfraktionsvize Ulrich Lange.
Der angedachte Zeitplan gerät kurz danach jedoch in Wanken. Zunehmend werden Stimmen laut, die sich für einen späteren Start als den 1. Januar 2024 aussprechen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) etwa äußert Kritik an dem Vorhaben Habecks. "Seine Zeitplanung ist nicht realistisch und stiftet am Ende mehr Schaden als Nutzen", sagt Weil und fordert "längere und damit realistischere" Übergangsfristen.
Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr äußert sich ähnlich. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hält dagegen: Meine Erfahrung ist, wenn man gute Vorsätze verschiebt, neigt man dazu, sie wieder zu verschieben", sagt sie.
Juni: Nach mehr als einem Vierteljahr Streit einigt sich die Ampelkoalition auf Grundzüge des neuen Gebäudeenergiegesetzes. Es ist ein Kompromiss: Die darin vereinbarten Leitplanken weichen teilweise deutlich von den ursprünglichen Plänen ab. Vieles ist entschärft. Jetzt steht noch eine wichtige Hürde bevor: Das Gesetz muss noch durch den Bundestag.
In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause erlebt die Ampelkoalition ein Fiasko. Karlsruhe stoppt das Heizungsgesetz, weil die Abgeordneten nicht genug Zeit hatten, über den Gesetzentwurf und seine Änderungen zu beraten. Die Notbremse aus Karlsruhe sollte für die Ampel Anlass sein, einen Neustart einzuleiten.
Juli: Alles scheint geregelt, die größten Uneinigkeiten aus dem Weg geräumt – und dann kommt die große Überraschung. Am Mittwochabend verkündet das Bundesverfassungsgericht, dass die für Freitag geplante Abstimmung der Novelle im Bundestag nicht stattfinden darf. Damit gab das Gericht der Klage des Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann (CDU) statt. Er sah seine Rechte als Abgeordneter verletzt, weil die Beratungszeit durch den straffen Zeitplan sehr kurz wäre. Heilmann sprach von einem "Last-Minute-Gesetz" das die Wärmewende gefährde.
Das monatelange Gezerre hat ein Ende: Das Gebäudeenergiegesetz hat seine wichtigste Hürde genommen. Der deutsche Bundestag hat das umstrittene Gesetz am Freitag beschlossen. 399 Abgeordnete stimmten dafür, 275 stimmten dagegen, fünf enthielten sich. Ende September muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren.
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