Mehrere Abgeordnete des rechten Parteiflügels hatten gedroht, gegen ihre Regierung zu stimmen, weil ihnen das Gesetz nicht weit genug ging, dabei wird das Vorhaben schon jetzt zum Beispiel vom UN-Flüchtlingshilfswerk kritisiert. Nach einem entscheidenden elfstündigen Treffen von mehr als 45 Tory-Rebellen kamen die Anführer der Gruppe zu dem Schluss, dass ein Scheitern des Gesetzentwurfs durch eine Abstimmung an der Seite der Labour-Partei während eines Wahljahrs den Zusammenbruch der Regierung riskieren könnte. Nur 11 konservative Hardliner, darunter die ehemalige Innenministerin Suella Braverman und Robert Jenrick, der ehemalige Einwanderungsminister, stimmten gegen das Gesetz.
Die britische Regierung will Menschen, die ohne die nötigen Papiere ins Land kommen, unabhängig von ihrer Herkunft nach Ruanda abschieben. Sie sollen dort einen Asylantrag stellen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Dazu soll Ruanda qua Gesetz zum sicheren Drittland erklärt werden. Eine weitere richterliche Überprüfung unter Berufung auf Menschenrechte in Großbritannien soll ausgeschlossen werden.
Doch rechten Tories geht das nicht weit genug. Sie fordern, auch Einsprüche vor internationalen Gerichten müssten verhindert werden - es dürfe keine Schlupflöcher geben. Robert Jenrick, früherer Migrations-Staatssekretär und einst Vertrauter von Sunak, forderte sogar den Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die Gewerkschaften verurteilten jedoch die Pläne, die bedeuten, dass Mitarbeiter des Innenministeriums, die Asylbewerber abschieben, angewiesen werden, in letzter Minute einstweilige Verfügungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur dann umzusetzen, wenn sie von einem Minister dazu aufgefordert werden. Drei Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sagten, dies würde bedeuten, dass hochrangiges Grenzschutzpersonal zwischen einem Verstoß gegen das Völkerrecht, einem Missachtung der Anweisungen eines Ministers und einem Rücktritt wählen müssten.
Längst ist Migration zu einem der wichtigsten Themen im aufkommenden Wahlkampf geworden. Die Briten müssen spätestens im Januar 2025 ein neues Parlament wählen. Ein Termin steht noch nicht fest, gerechnet wird mit Herbst. Die Tories wollen mit betont hartem Vorgehen den gewaltigen Rückstand in Umfragen auf die sozialdemokratische Labour-Partei aufholen. In Großbritannien kommen deutlich weniger irreguläre Migranten als in der EU an.
Gegner des Vorhabens wie das UN-Flüchtlingshilfswerk sind empört. Die Pläne verstießen gegen Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen. Dass die Regierung sich per Gesetz über Gerichte stellen will, verstoße auch gegen die Gewaltenteilung. Das oberste britische Gericht hatte die Pläne der Regierung unter anderem mit Verweis auf die Lage in Ruanda für unzulässig erklärt.
Die Regierung hat bereits Hunderte Millionen Pfund an Ruanda gezahlt, ohne dass dort ein Mensch angekommen ist. Das Vorhaben soll vor allem der Abschreckung dienen. Noch ist fraglich, ob es am Ende wirklich so kommt. Der Pakt wurde einst vom damaligen Premier Boris Johnson erdacht - nach Ansicht von Kritikern, um vom "Partygate"-Skandal abzulenken.
Im nächsten Schritt geht das Gesetz nun ins britische Oberhaus, das ist die zweite Kammer im Gesetzgebungsverfahren. Sunak verteidigt das Vorhaben. Es sei Wunsch der Wähler, das Problem ein für alle Mal zu lösen. Für ihn ist das Abkommen mit dem autoritären Präsidenten von Ruanda, Paul Kagame, ein zentraler Baustein seines Versprechens, die Zahl der Migranten zu senken. Sunaks Sprecher bestätigte, dass bis Frühling erste Abschiebeflüge abheben sollen. Um Verfahren zu beschleunigen, sollen eigens Richter abgestellt werden - ob das möglich ist, zweifeln Richterverbände an.
Dass bereits am Dienstagabend die Vize-Parteigeschäftsführer Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith aus Protest zurückgetreten waren, bedeutete einen weiteren Rückschlag. Die beiden machten deutlich, dass sie nicht an einen Erfolg des Ruanda-Entwurfs in der aktuellen Form glauben. Vor allem Anderson, der eine Talkshow im rechten Sender GB News hat, galt wegen seiner unverblümten Art als wichtiger Wahlkämpfer. Nun sprechen Analysten von einem "Bürgerkrieg" in der Tory-Partei.