"Unser Rechtsstaat wird mit aller Härte gegen Straftaten vorgehen, die Israel sowie die Opfer des Terrors verunglimpfen und schreckliche Verbrechen billigen", sagte der hessische Ministerpräsident und Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein. "Die hessischen Staatsanwaltschaften werden entsprechende Verfahren mit Hochdruck und Konsequenz bearbeiten." Ermittler seien angehalten, "Verfahren im Zusammenhang mit dem Terrorangriff auf Israel eine hohe Priorität zuzuerkennen", so der CDU-Politiker. "Die Polizei wird sehr konsequent einschreiten, wenn die Verbrechen der Hamas auf deutschen Straßen und Plätzen bejubelt werden." Im Innenministerium in Wiesbaden bestehe dazu bereits eine eigene Task Force.
Rheins niedersächsischer Kollege Stephan Weil forderte ebenfalls, dass "der Staat klare Kante zeigen" müsse. "Alle Beteiligten müssen dazu beitragen, dass der Hass nicht nach Deutschland getragen wird." Die Polizei habe bei antisemitischer Gewalt "die klare Vorgabe, in solchen Fällen sehr konsequent zu sein". Das aufgeheizte Klima lasse sich allerdings nicht allein durch die Arbeit der Sicherheitsbehörden entspannen. Auch die gesellschaftlichen Gruppen selbst sollten Zurückhaltung statt Eskalation einfordern, betonte der SPD-Politiker.
Aus seiner Sicht ist die Bestürzung über die Ereignisse auf beiden Seiten verständlich. "Mit der Terrorserie der Hamas ist furchtbares Leid für die Jüdinnen und Juden verbunden, auch in Deutschland. Und Israel hat das Recht, sich zu verteidigen, das steht außer Frage." Zugleich betonte Weil: "Aber natürlich macht auch das betroffen, was jetzt Zivilisten im Gazastreifen widerfährt und letztlich auch eine Folge des Hamas-Terrors ist." Diese Gemengelage sei emotional hoch brisant.
Bundesweit war zuletzt die Sorge vor einer neuen Welle des Antisemitismus, weiteren Ausschreitungen oder gar möglichen Anschlägen gewachsen. "Der islamistische Terror der Hamas gefährdet auch das friedliche Zusammenleben in unserem Land", warnte Rhein. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Land zum Ort für die widerliche Agitation der Hamas oder anderer Terrorgruppen wird." Hinweise auf konkrete Sicherheitsrisiken gebe es derzeit zwar nicht, so Weil. Aber: "Grundsätzlich steigt mit dem Konflikt natürlich ein gewisses Risiko, dass Straftaten begangen werden."
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul geht aber davon aus, dass "auch die propalästinensischen und die proisraelischen Versammlungen bei uns zunehmen werden.". Er warnte: "Bei all den Emotionen, die mit den Geschehnissen hochkochen, ist mit allem zu rechnen. Das heißt für uns, die Sicherheitslage kann sich ganz schnell ändern. Keine Emotion rechtfertigt Straftaten. Wir werden jüdische Einrichtungen, Synagogen, weiter beschützen. Israelische Flaggen werden weiterhin die Dienstgebäude dieses Landes schmücken. Und Straftaten, die bei Versammlungen passieren, werden verfolgt und konsequent geahndet."
In Berlin etwa sollen einige Protestierende antisemitische Parolen skandiert haben, im Stadtteil Neukölln kam es zu Zusammenstößen zwischen Teilnehmern einer verbotenen Demonstration und der Polizei. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt zudem nach einem versuchten Brandanschlag auf eine Synagoge. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner gab am Donnerstag eine Regierungserklärung ab. "Jetzt müssen wir unter Beweis stellen, dass wir gemeinsam und ernsthaft ‚nie wieder‘ meinen", sagte er im Hinblick auf Gewalt gegen Juden und die Erinnerung an den Holocaust.
"Wer Berlins Geschichte kennt, den kann es nicht kalt lassen, wenn Davidsterne an Häuser geschmiert werden", meinte Wegner. "Brandsätze auf Synagogen sind Brandsätze mitten ins Herz unserer Stadt." Die Polizei werde daher "mit allen verfügbaren Mitteln für Sicherheit in Berlin sorgen. Wir werden die Täter finden und hart bestrafen." Bei den jüngsten Ausschreitungen in Neukölln soll es 174 vorläufige Festnahmen gegeben haben.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sieht die Brandsätze, Steinwürfe und Böller in Neukölln auch als Folge einer "naiven Migrationspolitik", wie er erklärte. "Gerade eine offene und liberale Gesellschaft muss von Zuwanderern erwarten dürfen, dass sie sich mit den grundlegenden Werten der neuen Heimat identifizieren." Auch in diesem Punkt sei die Migrationspolitik der Ampelkoalition unbefriedigend, kritisierte er. Frei schlug vor, ein verpflichtendes Bekenntnis zum Existenzrecht Israels in das Bewerbungsverfahren für die deutsche Staatsangehörigkeit einzufügen. "Dieses Bekenntnis sollte gesetzlich im Staatsangehörigkeitsgesetz verankert werden", sagte er. Dafür sei es nun "höchste Zeit".
Weil regte an, inmitten der aufgeladenen Debatte neben möglichen Verschärfungen und Sanktionen auch erfolgreiche Initiativen für einen interreligiösen Dialog in Krisensituationen stärker zu beachten. Er nannte dabei einen Fall aus Niedersachsen. "Ich wünsche mir, dass ein Beispiel Schule macht, nämlich wie die palästinensische und die jüdische Gemeinde in Hannover miteinander umgehen. Sie haben dazu aufgerufen, dass alle Menschen auch in diesem schwierigen Konflikt sehr respekt- und friedvoll miteinander sein müssen. Das habe ich als eine große Unterstützung wahrgenommen, um die angespannte Lage zu entschärfen."
Der niedersächsische Regierungschef bezog sich damit auf die gemeinsamen Aktionen und die Freundschaft zwischen den beiden Gemeindevorsitzenden Michael Fürst und Yazid Shammout. "Das kann unsere Freundschaft nicht zerstören, auch wenn viele uns gern entzweit sehen würden", sagte Fürst zur jüngsten Eskalation im Nahen Osten. "Wir bleiben befreundet, obwohl wir teils grundverschiedene Ansichten haben." Shammout ergänzte: "Unsere Freundschaft ist von Anfang an in dem Wissen gewachsen, dass wir verschiedene Meinungen haben."
In seiner Regierungserklärung zu den Krawallen in Neukölln betonte Wegner, die arabischstämmigen Berlinerinnen und Berliner dürften nicht pauschal mit den Protestierenden auf verbotenen Kundgebungen gleichgesetzt werden. "Die allermeisten sind genauso betroffen und voller Trauer und wünschen sich nichts mehr als Frieden – sowohl auf unseren Straßen als auch im Nahen Osten." Die Hamas wolle Menschen mit arabischen Wurzeln "für ihre Zwecke missbrauchen. Aber auch das lassen wir nicht zu. Wir lassen uns nicht spalten."