Söder reagierte damit auf die Kritik unter anderem des Bayerischen Philologenverbandes (bpv). Dessen Vorsitzender Michael Schwägerl hatte Söders angekündigtes Verbot als nicht zielführend und nicht notwendig kritisiert und gewarnt, es bestehe damit eher die Gefahr einer weiteren Spaltung und Polarisierung in der Schulgemeinschaft.
Der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes (brlv), Ulrich Babl, erklärte: "An den bayerischen Realschulen ist Gendern kein nennenswertes Thema, eine Genderpflicht lehnen wir jedoch klar ab." Der bayerische Elternverband betonte, ihn lasse "diese Stichelei gegen die Ampelregierung unbeeindruckt". Söder stelle nur "in populistischer Art die geltende Rechtslage dar, wonach Deutsch die Amtssprache in bayerischen Schulen und Behörden ist".
Der bpv setze sich dafür ein, dass in bayerischen Schulen sorgfältig mit der deutschen Sprache umgegangen werde, so Schwägerl. "Das bedeutet, dass man offen für neue Formen ist, die zum Beispiel Frauen und Männer gleich behandeln, aber diese nicht vorschnell einführt, bevor sich die Sprechergemeinschaft dahinterstellt und ein klares Regelwerk entstanden ist." Wegen der wachsenden Zahl an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sei für den Spracherwerb eine klare Orientierung notwendig. "Wer noch mit den drei grammatischen Geschlechtern und den richtigen Artikeln der deutschen Sprache kämpft, braucht keine zusätzlichen Schwierigkeiten."
Es sollte selbstverständlich sein, Schülerinnen und Schüler sprachsensibel und gleichberechtigt zu unterrichten, sagte Babl. Ein einfaches Beispiel hierfür sei die Berücksichtigung unterschiedlicher Berufsbezeichnungen wie Feuerwehrmann und Feuerwehrfrau. "Bei der Überwindung tradierter Rollenbilder setzen wir uns jedoch in erster Linie für eine Erweiterung der Entwicklungschancen und beruflichen Perspektiven aller Kinder und Jugendlichen ein."
Bayern sei immer gut damit gefahren, so Schwägerl und Babl weiter, den Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung zu folgen. Noch zu Beginn des Schuljahres sei in einer ministeriellen Bekanntmachung festgehalten worden, dass die amtlichen Rechtschreibregeln in der jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen seien. Zugleich gelte aber auch, dass sich Sprache immer wieder ändere. Daher sei es wichtig, "dass wir diese Veränderungen verstehen und kritisch betrachten. Gerade an den weiterführenden Schulen muss auch - alters- und adressatengerecht - über die Entwicklung der Sprache gesprochen werden."
"Was Deutsch ist, wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung definiert", betonte auch Martin Löwe, Landesvorsitzender des Elternverbands. Dieser habe unlängst klargestellt, dass die Aufnahme von Asterisk (Gender-Stern), Unterstrich (Gender-Gap), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk nicht beabsichtigt sei. "Ministerpräsident Söder verrät uns nicht, welche Sanktionen von ihm bei Zuwiderhandlung intendiert sind. Ein Verbot ohne Sanktionen hat allenfalls symbolischen Charakter."
Auch Schauspielerin und "Tatort"-Kommissarin Maria Furtwängler kritisierte Söders Vorstoß: "Also, dass man nicht gendern soll, als Verbot, davon halte ich überhaupt nichts. Ich halte in diesem ganzen Kontext Verbote und Gebote für nicht sinnvoll", sagte sie dem Radiosender "Antenne Bayern". "Ich glaube, das muss und soll jeder für sich entscheiden. Es aber grundlegend zu verbieten, finde ich einen völligen Nonsens. Das ist Nonsens."
Auf die Frage, ob die CSU nun die neue Verbotspartei sei, entgegnete Söder: "Im Gegenteil, wir verhindern, dass es Verbote gibt, nämlich das Verbot zu reden, wie man es bislang gemacht hat." Wo es seiner Ansicht nach ein solches Verbot gibt, sagte Söder allerdings nicht. Ansonsten wirft Söder, der nun das Gendern verbieten will, den Grünen allzu oft vor, eine Verbotspartei zu sein.
Fragen zur Umsetzung oder zu möglichen Sanktionierungen in Schule und Verwaltung ließ der Ministerpräsident unbeantwortet. Das werde man noch "alles sehen", sagte er. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) werde das Vorhaben "mit Empathie, aber auch mit Konsequenz umsetzen".
Stolz sagte bei dem Termin in München dazu nur, dass es um einen "alltagsnahen, pragmatischen Umgang mit dem Thema Gendern" gehe. Zusammen mit den Schulen wolle man Lösungen entsprechend der Linie des Rats für deutsche Rechtschreibung finden.
Stolz hatte selbst erst durch Söders Regierungserklärung von dessen Vorhaben erfahren. Der Ministerpräsident hatte am Dienstag zur Überraschung vieler angekündigt, in Bayern solle das Gendern in Schulen und in der Verwaltung verboten werden. An Schulen in Sachsen und Sachsen-Anhalt werden Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache ebenfalls abgelehnt.
Rückendeckung erhielt Söder von seinem Parteifreund, Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek: Es sei gerade in diesen Zeiten wichtig, "auch mal eine klare Kante zu zeigen und die Lebensrealität der Menschen auch abzubilden".