"Wir können davon ausgehen, dass die Nato innerhalb des nächsten Jahrzehnts mit einer Massenarmee sowjetischen Typs konfrontiert sein wird, die den Alliierten zwar technologisch unterlegen ist, aufgrund ihrer Größe, Feuerkraft und Reserven jedoch eine erhebliche Bedrohung darstellt", schreibt Geheimdienst-Chef Kaupo Rosin in dem Bericht. Um sich gegen einen möglichen konventionellen Angriff einer solchen Armee zu verteidigen, müssten die Armeen und Rüstungsindustrien der Nato-Verbündeten demnach deutlich besser vorbereitet und ausgerüstet sein, als dies gegenwärtig der Fall ist.
Für Estland bedeutet die Militärreform dem Bericht zufolge in den kommenden Jahren eine deutliche Aufstockung der russischen Streitkräfte nahe der Grenze des Baltenstaats. Auch plane Russland mehr Truppen an der Grenze zu Finnland und den anderen baltischen Staaten zu stationieren. Ziel Russlands sei, eine militärische Dominanz im Ostseeraum zu erreichen, heißt es. Die Wahrscheinlichkeit eines direkten Angriffs auf Estland in diesem Jahr ist nach Angaben von Rosin aber gering.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte Ende 2022 einen Umbau der russischen Armee angekündigt, um die vom Kreml geforderte Aufstockung der Truppenstärke umzusetzen. Gestärkt werden sollten auch die Kampfkraft der Flotte, der Luftwaffe und der Raketenstreitkräfte. Die Erneuerung der Strukturen soll demnach zwischen 2023 und 2026 abgeschlossen werden.
Lettland hat unterdessen wegen der Aufnahme von Politikern des baltischen EU- und NATO-Landes in eine russische Fahndungsliste den Geschäftsträger der russischen Botschaft in Riga einbestellt. Bei dem Gespräch an diesem Mittwoch solle der Diplomat um Erklärungen zu einer öffentlich zugänglichen Liste ehemaliger und aktueller Amtsträger Lettlands gebeten werden, gegen die von Russland politisch motivierte Anklagen erhoben worden seien, teilte das Außenministerium am Dienstagabend mit.
Das Ministerium steht nach eigenen Angaben auch in Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden Lettlands, um die Informationen zu überprüfen. Zudem arbeite man mit EU-Partnern zusammen, um das Thema auf globaler Ebene anzugehen, hieß es in der Mitteilung weiter.
Russland hat Politiker aus den baltischen Staaten auf eine Fahndungsliste gesetzt. Darauf finden sich Medien zufolge neben Estlands Regierungschefin Kaja Kallas und Litauens Kulturminister Simonas Kairys auch mehr als 80 lettische Politiker. Die russischen Behörden werfen den Balten den Abriss sowjetischer Kriegsdenkmäler vor.
In Lettland mussten nach einem unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gefassten Parlamentsbeschluss alle Objekte, die totalitäre Regime verherrlichen, bis zum 15. November 2022 demontiert werden. Die Regelung zielte speziell auch auf den Abriss des sowjetischen Siegesdenkmals in Riga. Die Abgeordneten, die damals dafür gestimmt haben, sollen nun auf der Fahndungsliste stehen.
Ministerpräsidentin Evika Silina sagte, dass die lettische Regierung Russlands Vorgehen als illegal und politisch motiviert ansehe. "Lettland wird einer solchen Einschüchterungsmethode nicht nachgeben", betonte sie.