Tatsächlich lag die Zahl der Menschen, die täglich Fleisch und Wurstwaren essen, laut der Befragung aktuell bei 20 Prozent. 2015 seien es noch 34 Prozent gewesen. Gleichzeitig steige der Anteil der Personen, die täglich zu vegetarischen und veganen Alternativen greifen. 10 Prozent sind es mittlerweile, 2020 waren es noch fünf. Knapp die Hälfte der Befragten (46 Prozent) schränkt den Fleischkonsum bewusst ein und isst möglichst wenig oder selten Fleisch und Wurst, 8 Prozent sind eigenen Angaben zufolge Vegetarier, 2 Prozent Veganer. "Für viele ist die Veggie-Wurst im Fleischregal ganz normal, man könnte sagen: Sie ist ein gut integrierter Zuwanderer", befindet Özdemir flapsig.
Weniger Fleisch, mehr pflanzliche Ernährung: Dahinter steckt laut Ernährungsreport bei vielen auch der Gedanke ans Klima. 63 Prozent kaufen demnach vegetarische oder vegane Produkte, weil es gut für das Klima und die Umwelt ist, 77 Prozent halten es für den Klimaschutz für wichtig, dass die Menschen weniger Fleisch essen. "Die Zahl der Flexitarier nimmt zu", so Özdemir. Er betont gleichzeitig, dass er niemandem verbieten wolle, Fleisch zu essen. "Wir sollten in der Politik aufhören, den Leuten Vorschriften zu machen."
Seiner Meinung nach würde eher die Gegenseite Vorschriften machen, in dem sie so tue, als seien Veganer und Vegetarier keine "guten Bürger". Özdemir berichtet von Unionspolitikern, die ihm zuflüsterten, dass sie auch Vegetarier seien, es aber nicht öffentlich sagen wollten, und von Grünen-Politikern, die jeden Tag ein Schnitzel äßen. Dann kommt er wieder zu Bayerns Ministerpräsident: "Dem Herr Söder müsste doch kein Zacken aus der Krone fallen, wenn er sagt, jemand, der in Bayern lebt und Flexitarier oder Vegetarier oder Veganer ist, ist auch kein schlechterer Bayer."
Ein weiteres Ergebnis des Ernährungsreports: "Die Menschen haben einen großen Wunsch nach Transparenz", so Minister Özdemir. Laut Report gaben zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) an, immer oder meistens auf das Regionalfenster zu achten – ein Siegel, das über die regionale Herkunft eines Produkts informiert. Fast ebenso viele (65 Prozent) achten demnach auf ein Tierwohllabel, das Fleisch aus besonders tiergerechter Haltung kennzeichnet. Und Wert auf das Biosiegel legen 59 Prozent.
Der Grünen-Politiker ging auch auf die Folgen ungesunder Ernährung ein. Mehr als jeder zehnte Mensch in Deutschland sei zuckerkrank, und immense Summen flößen etwa in die Behandlung von Menschen mit Adipositas. Dabei betonte Özdemir, dass Ernährung nicht zu einer sozialen Frage werden dürfe. "Es gibt eine enorme Korrelation zwischen Bildungsstand, Einkommen und ernährungsbedingten Krankheiten wie Adipositas." Aus dem Grund sei ihm vor allem die Außer-Haus-Ernährung, etwa auch in Kindertagesstätten und Schulen, wichtig. 16 Millionen Menschen würden sich regelmäßig außer Haus, also etwa in Kantinen oder Restaurants, ernähren, sechs Millionen davon allein in Kitas und Schulen. "Wenn wir da ansetzen, ist das ein Gamechanger", ist der Minister sich sicher.
"Ich habe die Vision, dass jedes Kind in Deutschland in Kita oder Schule einmal am Tag ein vollwertiges Essen bekommt", sagte Özdemir weiter, und zwar unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. "Wir haben 100 Milliarden Euro in kürzester Zeit für die Bundeswehr aufgebracht, dann muss das auch möglich sein." Bislang ist es nur eine Vision.