Von einem historischen Momentum hatte die Ministerin im Vorfeld der Entscheidung über ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) Anfang Juni gesprochen, das unter anderem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vorsieht. Dieser Vorgang sei typisch für die gesamte Migrationspolitik der Bundesinnenministerin, fügte Throm hinzu. "Großen Ankündigungen folgt politische Wirkungslosigkeit." Dabei sei die illegale Migration nach Deutschland zuletzt um fast 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, "und Frau Faeser lässt es laufen". Der CDU-Politiker betonte, das Problem nur mit einer Ausweitung stationärer Grenzkontrollen in den Griff zu bekommen. "Frau Faeser muss endlich handeln."
Der Leiter der Europaabteilung der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, kritisierte den Aufnahmestopp ebenfalls, aber mit einer gegenteiligen Begründung. "Das ist eine sehr unkluge und auch unverantwortliche Entscheidung", sagte er. "Denn wir haben eine humanitäre Krise auf Lampedusa und eine dramatische Situation auf dem Mittelmeer. Außerdem haben wir eine sich verschlechternde Menschenrechtslage in Tunesien und eine Naturkatastrophe in Libyen." Kopp mahnte: "Wir brauchen deshalb eine europäische Kraftanstrengung. Wir brauchen Solidarität und Humanität. Wer nicht gemeinsam europäisch handelt, der verliert Europa. Und wer glaubt, dass man mit Hartleibigkeit die Rechten bekämpft, der irrt sich."
Deutschland hatte besonders mit Geflüchteten belasteten EU-Staaten im vorigen Jahr die Aufnahme von bis zu 3.500 Menschen in Aussicht gestellt. Tatsächlich kamen bisher rund 1.000 aus Italien und 670 aus Zypern. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte jetzt, dass bis auf Weiteres keine Teams mehr nach Italien geschickt würden, um die Aufnahmen vorzubereiten. Diese Entscheidung wurde wiederum damit begründet, dass Italien seinerseits keine Geflüchteten aus Deutschland zurücknimmt, selbst wenn es nach den Dublin-Regeln dazu verpflichtet ist.
Laut Dublin-System ist derjenige EU-Staat für die Aufnahme und Versorgung eines Geflüchteten zuständig, über den dieser in die EU einreist. Das sind überwiegend die Staaten mit EU-Außengrenzen wie Italien, Malta oder Griechenland. Reisen Asylbewerberinnen und -bewerbe von dort in andere EU-Staaten weiter, können diese EU-Staaten Geflüchtete zurückschicken – wenn die formal zuständigen Staaten ihr Einverständnis erklären. Doch in der Praxis funktioniert das nicht. So teilte der Sprecher des Bundesinnenministeriums mit, dass es bei mehr als 12.400 Überstellungsersuchen in diesem Jahr tatsächlich nur zehn Überstellungen gegeben habe.
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