Vor der Wahl sprach zunächst Lang. Sie verwies auf die Erfolge ihrer Partei in der Ampelkoalition. So habe Wirtschaftsminister Robert Habeck binnen kurzer Zeit für Unabhängigkeit von russischem Gas gesorgt. Die Grünen hätten dem 49-Euro-Ticket zum Durchbruch verholfen, Deutschland zum Einwanderungsland werden lassen oder die Strafbarkeit der "Werbung" für Abtreibungen abgeschafft.
Im Übrigen wiederholte die 29-Jährige das Mantra der grünen Führungsriege: dass man den Versuchen der politischen Konkurrenz nicht nachgeben dürfe, die Partei wieder in die Nische zu drängen. An die Adresse der Union sagte sie angesichts des aktuellen Haushaltstreits über die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Wir werden uns nicht über die Realität belehren lassen von jenen, die Realitätsflucht zu ihrem politischen Prinzip erklärt haben."
Lang betonte schließlich, was auch Habeck oder Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann so oder ähnlich stets aufs Neue betonen: "Wir machen das nicht für uns hier in der Halle, sondern für die Menschen da draußen."
Omid Nouripour kam auf seine Flucht aus dem Iran zu sprechen und rief in Anspielung auf den Aufstieg in der eigenen Partei: "Meine Geschichte wäre in keiner anderen Partei möglich." Jenseits dessen streichelte er wo möglich die Seele der Partei mit allerlei Komplimenten, gab sich in der Sache aber ebenso pragmatisch wie Lang. Auf die Frage: "Wie willst Du die FDP endlich an die Kandare kriegen?", antwortete Nouripour, man müsse dafür sorgen, "dass die Koalition nicht so schrill streitet. Wir haben die Verantwortung, alles dafür zu tun, dass es weniger wird." Im Ganzen seien die Grünen heute "eine Partei, die diesen Staat trägt" – und "das Wichtigste" sei, "was im Land ankommt, und nicht, wie es uns damit geht".
Sein Gegenkandidat Philipp Schmagold, an der Grünen-Basis seit einiger Zeit bekannt durch Widerspruch bei vielerlei Themen, schlug da einen anderen Ton an. Er warb für mehr Basisdemokratie. Er erinnerte daran, dass die grüne Regierungspolitik gerade von Vertretern der Umweltbewegung kritisiert werde. Denn es sehe "beim Klima- und beim Artenschutz weiterhin katastrophal aus". Der Planet sei in Sachen Erwärmung nicht mehr auf dem 1,5-, sondern auf dem 2,8-Grad-Kurs.
Gemünzt auf die Zugeständnisse in der Flüchtlingspolitik beklagte Schmagold: "Wir Grüne sperren keine Menschen hinter Gittern, die nach Europa fliehen." Tatsächlich hat die Grünen-Spitze Asylverfahren an den Außengrenzen der Europäischen Union zugestimmt – und gegen die Verlängerung des Abschiebegewahrsams von 10 auf 28 Tage keinen Widerspruch eingelegt.
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Nouripours Konkurrent mahnte: "Wir brauchen einen grünen Aufbruch. Wir brauchen viel mehr neues Grün." Doch es reichte bei der Abstimmung lediglich für einen Achtungserfolg. Eine Revolution blieb in Karlsruhe aus.