Die Bundesregierung erwartet nun für 2023 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent - ein deutlicher Kontrast zur Frühjahrsprojektion, die noch von einem Wachstum um 0,4 Prozent ausging. Für 2024 wird ein Wachstum um 1,3 Prozent prognostiziert, im Frühjahr hatte die Bundesregierung 1,6 Prozent erwartet. Für 2025 wird ein Wachstum um 1,5 Prozent angenommen.
Habeck nannte mehrere Gründe für die "konjunkturellen Schwierigkeiten": die Nachwehen der Energiepreiskrise, die Inflationsbekämpfungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank und eine schwache globale Wirtschaft. Der Hauptgrund seien immer noch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Deutschland war zuvor stark abhängig von billigem russischen Gas, das dann ausblieb.
Insgesamt belasteten geopolitische Konfliktherde die Wirtschaftssituation. Deutschland spüre die Konsequenzen als Exportnation besonders. "Ein schwächerer Außenhandel trifft die deutsche Wirtschaft über die Maßen und stärker als teilweise andere Nationen", so Habeck. Welche Folgen der Krieg in Israel haben werde, sei derzeit noch nicht vorhersehbar.
Trotz eines deutlichen Rückgangs im September ist die Inflation weiter hoch. Die Verbraucherpreise lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im September um 4,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Behörde bestätigte am Mittwoch eine erste Schätzung. Habeck sprach von einem Lichtblick. Der Rückgang der Inflation sei deutlich, damit stiegen auch wieder die Realeinkommen - was Grundlage für eine binnenwirtschaftliche Belebung sei. Derzeit schwächelt der private Konsum immer noch. Die Bundesregierung rechnet nach einem Anstieg der Verbraucherpreise um 6,1 Prozent im Gesamtjahr mit einem deutlichen Rückgang auf 2,6 Prozent im nächsten Jahr und 2,0 Prozent im Jahr 2025.
Trotz der kurzfristigen konjunkturellen Schwäche bleibe der Arbeitsmarkt robust, so das Ministerium. Die Arbeitsnachfrage sei angesichts des Fachkräfte- und allgemeinen Arbeitskräftemangels nach wie vor auf hohem Niveau. Aufgrund der schwachen Konjunktur hat die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen zuletzt zwar etwas abgenommen, dies dürfte sich mit der konjunkturellen Belebung jedoch wieder umkehren.
Habeck betonte die Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt und die Notwendigkeit, sowohl inländisches Arbeitspotenzial zu mobilisieren als auch auf Zuwanderung zu setzen, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Dazu passt: Die Regierung hat sich darauf verständigt, den Zugang zur Arbeit für Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu erleichtern.
Es müssten Wachstumsprobleme gelöst werden, so Habeck. Die Ampel habe viele strukturelle Probleme von der Vorgängerregierung geerbt. Er nannte etwa die überbordende Bürokratie oder langsame Genehmigungsverfahren etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne. Die Regierung will das nun anpacken, zudem sollen Maßnahmen wie das Wachstumschancengesetz mit steuerlichen Entlastungen für Firmen sowie ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des kriselnden Wohnungsbaus die Wirtschaft ankurbeln.
Allerdings kommt die Ampel bei zentralen Themen nicht voran. SPD, Grüne und FDP streiten seit langem über Entlastungen von Unternehmen, die über im internationalen Vergleich hohe Strompreise klagen. Habeck hatte schon im Frühjahr ein Konzept über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis vorgelegt - der aber innerhalb der Koalition heftig umstritten ist. Am Mittwoch blieb er dabei: Die Chance, dass ein Industriestrompreis komme, liege bei 50:50.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutsche Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben, sagte: "Die Stimmung in der Wirtschaft ist alles andere als gut. Es fehlt weiterhin das Signal zum Aufbruch." Hohe Energiepreise, Unsicherheit über die zukünftige Energieversorgung, hohe Steuer- und Abgabenbelastung, Bürokratie, Fachkräftemangel und schleppende Weltkonjunktur belasteten die Geschäfte.