Mit einem Verbotsverfahren würde sich die AfD "zum Opfer stilisieren", sagte die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, nach einer Präsidiumssitzung der Partei. "Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und wollen sie politisch stellen."
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte, dass die Probleme im Zusammenhang mit der Migration gelöst werden müssten, um die AfD thematisch zu bekämpfen. Es sei ein großer Fehler zu glauben, dass die AfD eine normale Partei mit einem normalen Programm sei. "Das ist definitiv nicht der Fall. Das sind Menschen, die wollen unserem Land schaden."
Auch CDU-Chef Friedrich Merz hat vor der Einleitung eines Parteiverbotsverfahren gegen die AfD gewarnt. Dieses werde Jahre dauern und die AfD nur "in ihrer Märtyrerrolle" bestärken, sagte Merz am Samstag zum Abschluss einer Klausurtagung des Bundesvorstands in Heidelberg. "Davon halte ich wenig." Er werbe hingegen dafür, "mit aller Konsequenz auch den politischen Meinungskampf gegen die AfD" fortzusetzen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit ihr zu suchen.
"Wir müssen die AfD mit politischen Mitteln und nicht vor Gericht bekämpfen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz der "Rhein-Neckar-Zeitung". Parteiverbote blieben zwar "immer eine Ultima Ratio", sagte Merz. Er verwies aber auch auf historische Erfahrungen mit ihnen. So sei die KPD in den 1950er Jahren verboten worden. "Wenig später ist die DKP dann gegründet worden - teilweise von denselben Leuten."
Die Debatte um ein AfD-Verbot hatte diese Woche nach Berichten über ein Geheimtreffen mit Rechtsextremen neue Nahrung bekommen. Dabei soll es nach Recherchen des Netzwerks Correctiv um Pläne zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland gegangen sein. Der Bericht über das Potsdamer Treffen löste im gesamten politischen Spektrum Empörung aus. Auch einige Parteimitglieder der CDU, sollen anwesend gewesen sein. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann drohte ihnen inzwischen mit Konsequenzen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) warnte vor der Gefahr eines Scheiterns eines Verbots. "Ein Verbotsverfahren ist sehr sensibel und es sollte nur dann angestoßen werden, wenn es nach menschlichem Ermessen sicher zum Erfolg führt", sagte Rehlinger der "Welt" vom Montag. "Sonst organisiert man der Partei einen desaströsen Erfolg, den sie ausschlachten wird."
"Ein Verbotsverfahren darf kein Bumerang werden", sagte auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Es sollte deshalb erst begonnen werden, "wenn es ausreichend Hinweise und Informationen gibt, um ein Verbot auch gerichtlich durchzusetzen".
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hielt ein Verbotsverfahren "für den falschen Weg". Der CSU-Vorsitzende forderte stattdessen eine andere Politik der Bundesregierung. Denn die AfD nutze die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dem müsse der Boden entzogen werden durch eine andere Politik. Am Wochenende hatte auch CDU-Chef Friedrich Merz ein Verbotsverfahren abgelehnt und gewarnt, dieses würde Jahre dauern und die AfD nur "in ihrer Märtyrerrolle" bestärken.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat mit Nachdruck vor den Begriffen, den Positionen und der Wahl der AfD gewarnt. "Allen, die jetzt ernsthaft noch darüber nachdenken, die AfD zu wählen, möchte ich sagen: Ihr wählt keine Alternative, keine Besserung und schon gar nicht die Lösung für eure Probleme", sagte der Bundesvorsitzende des Vereins, Gökay Sofuoglu. "Ihr wählt den Untergang unserer offenen und demokratischen Gesellschaft."
Eine Machtübernahme durch die AfD würde nach den Worten von Sofuoglu mitunter zu einer Abwanderung der Industrie sowie ausbleibendem Tourismus führen. "An das gesellschaftliche Klima bei solch einem Horrorszenario möchte ich gar nicht erst denken", sagte der Bundesvorsitzende.
Auch die Co-Vorsitzende Aslıhan Yeşilkaya-Yurtbay warnte vor der Übernahme von Begriffen der AfD in die politische Normalität - insbesondere "Remigration" oder "Rückführung" gehörten zur Strategie der Rechten. Wenn Rechtsextremisten den Begriff "Remigration" verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Eine Jury hatte diesen Begriff zum "Unwort des Jahres" 2023 gekürt.
"Hören Sie auf damit, die Maskerade der AfD aufrechtzuerhalten", sagte Yeşilkaya-Yurtbay. "Es geht hier um Deportationen und die Umvolkung großer Teile der deutschen Gesellschaft." Demnach wären nicht nur Menschen mit Migrationsgeschichte betroffen, sondern alle Deutschen, die für ein offenes und demokratisches Deutschland einstehen.
Über das Potsdamer Treffen im November hatte zuerst das Medienhaus Correctiv berichtet. Zu den Teilnehmern zählten mehrere AfD-Politiker, darunter Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Correctiv nannte zudem mehrere Mitglieder der Werteunion. Diese stand CDU und CSU lange nahe, ist aber keine Parteigruppierung. Sie gilt als besonders konservativ und übte an der CDU-Linie unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel teils scharfe Kritik.
Redner war bei dem Potsdamer Treffen Martin Sellner, lange Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Er sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer und sogar Menschen mit deutschem Pass Deutschland verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.
Bundesweit ist die AfD derzeit in Umfragen die zweitstärkste Partei. Umfragen in den drei Bundesländern, die im September dieses Jahres zur Wahl gehen, sehen die AfD mit deutlich über 30 % Unterstützung sogar klar als Spitzenreiter.