Baerbock bot Aserbaidschan deutsche Unterstützung beim Minenräumen an. "Drei Jahrzehnte des Konflikts haben Karabach und umliegende Provinzen buchstäblich zu einem gefährlichen Minenfeld gemacht." Bayramov zeigte sich offen für eine Fortsetzung der Friedensgespräche mit Armenien, warf Eriwan aber gesetzeswidrige territoriale Ansprüche vor. Man sei bereit zur Fortsetzung des Dialoges, sagte er laut offizieller Übersetzung. Formate und Orte der Verhandlungen seien zweitrangig. Neben den Verhandlungen unter EU-Vermittlung bieten sich der Iran und die Türkei als Vermittler an.
Baerbock brachte - ohne den Iran zu nennen - allerdings ihre Sorge zum Ausdruck, ob "manche Akteure als ehrliche Makler im Interesse beider Länder" handeln würden. Vor dem Hintergrund von Gesprächen über eine Rückkehr der aus Berg-Karabach geflohenen mehr als 100.000 Menschen sagte die Bundesaußenministerin: "Vertrauen und Zutrauen sind dafür natürlich entscheidend." Hier müsse man realistisch sein. "Es wird Zeit brauchen, genau dieses Vertrauen wieder aufzubauen."
Berg-Karabach liegt auf aserbaidschanischem Gebiet, wurde jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Das Gebiet hatte sich in den 1990er Jahren in einem blutigen Bürgerkrieg mit Hilfe Eriwans von Baku losgelöst. Die Armee von Aserbaidschan hatte die Kapitulation der lokalen Armee in Berg-Karabach am 19. September erzwungen. Mehr als 100.000 ethnische Armenier sind aus der Region geflohen.
Vor Baku hatte Baerbock seit Freitag bereits Armenien besucht. Am Samstagvormittag informierte sie sich an der Grenze Armeniens zur autonomen aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan während einer Kontrollfahrt der zivilen EU-Mission EUMA über die angespannte Lage. Baerbock stand mitten im Vierländereck zwischen Armenien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei. Der Ararat, höchster Berg der Türkei, ist dort ganz nah, schneebedeckt, eine fast idyllische Szene. Doch es brodelt in der Region. Teheran und Ankara versuchen, ihren Einfluss auf die Ex-Sowjetrepubliken zu verstärken.
Gut 70 Kilometer von der armenischen Hauptstadt Eriwan entfernt schilderte ein Mitarbeiter der Mission der Außenministerin, erst Mitte Juni seien hier beim Beschuss durch aserbaidschanische Scharfschützen zwei Arbeiter in einem Stahlwerk verletzt worden. Nachitschewan hat etwa 400.000 Einwohner und grenzt an Armenien, den Iran und die Türkei. Aserbaidschan setzt sich seit langem für eine Straßen- und Schienenverbindung in seine Enklave ein. Mit dem Iran schloss das autoritär regierte Land Anfang Oktober eine Vereinbarung über eine Transportverbindung über iranisches Staatsgebiet.
EUMA beobachtet die Sicherheitslage entlang der armenischen Seite der Grenze. Die Mission hat ihre Arbeit Ende Februar aufgenommen, Mitte September waren gut 85 Mitarbeiter aus 22 EU-Staaten im Einsatz. Deutschland stellt aktuell mit 16 Mitgliedern und einem Bundespolizisten als Missionsleiter das größte Kontingent.
Später sprach Baerbock in einem Aufnahmezentrum mit Geflüchteten aus der Krisenregion Berg-Karabach. Anjelika Stepanjan, 31, ist aus Berg-Karabach geflohen. Zusammen mit zwei anderen Erwachsenen und drei Kindern teilt sie sich ein karges Zimmer. Welche Erwartungen sie an einen Friedensprozess zwischen Eriwan und Baku habe, wird sie von Journalisten gefragt. Das Wort Aserbaidschan wolle sie nicht in den Mund nehmen, antwortet die Frau verbittert. Sie sei aus Angst vor den Aserbaidschanern geflüchtet und habe fast alles zurücklassen müssen - aber nun fühle sie sich in Sicherheit.
Wie tief die Gräben zwischen Armenien und Aserbaidschan sind, zeigt sich auch, als Baerbock von Eriwan nach Baku fliegt. Statt auf direktem Weg zu der 2,2-Millionen-Einwohner-Stadt am Kaspischen Meer zu fliegen, muss ihr Regierungs-Airbus eine Schleife über Georgien drehen. Der direkte Flug über die Grenze ist tabu.