"Vor dem Hintergrund der vergleichbaren Migrationssituation an den Grenzen Brandenburgs zu Polen sowie Sachsens zu Polen sowie der Tschechischen Republik haben wir die Bundesinnenministerin gemeinsam angeschrieben und um befristete Wiedereinführung von stationären Binnengrenzkontrollen gebeten", sagte Sachsens Innenminister Schuster laut Mitteilung. Sein Amtskollege Stübgen betonte: "Wenn wir die Freizügigkeit im Schengen-Raum erhalten wollen, müssen wir einen Kontrollverlust an der Bundesgrenze verhindern. Wir erwarten daher, dass der Bund umgehend stationäre Binnengrenzkontrollen einführt und seine Grenzschutzmaßnahmen intensiviert." Die Stimmung der Bevölkerung drohe zunehmend zu kippen.
Am Mittwoch beraten die Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt über die weitere Finanzierung der Kosten für Flüchtlinge. Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten. Die beiden CDU-Politiker sehen die Kapazitäten vieler Kommunen am Limit und fordern, die Zuwanderung zu begrenzen. "Die Zuzugszahlen aus irregulärer Migration steigen nahezu ungebremst. Sollte sich diese Entwicklung im laufenden Jahr so fortsetzen, werden die höchsten Zahlen seit 2015/16 erreicht", hieß es.
Vor allem die Grenzen zu Polen, aber auch zu Tschechien stünden "unter hohem Migrationsdruck". Von Anfang März bis Mitte April habe die Bundespolizei an der polnischen Grenze 3093 illegale Grenzübertritte festgestellt, an der Grenze zu Tschechien 1060. In den Sommermonaten sei mit einem weiteren erheblichen Anstieg der Ankunftszahlen zu rechnen. Zuvor hatten der Landkreistag und der Städte- und Gemeindetag in Sachsen gefordert, die Zuwanderung zu beschränken. "Maximal 220 000 Zuwanderer pro Jahr sind für unsere Systeme verkraftbar", hieß es in einer Mitteilung. Dabei sprachen sich die Verbände auch dafür aus, den Familiennachzug zu beschränken sowie Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen, um Abschiebungen dorthin zu erleichtern.
Bleiben die Flüchtlingszahlen so hoch wie im ersten Quartal, sei dieses Jahr in Deutschland mit mehr als 400 000 Asylsuchenden zu rechnen, erklärten die Verbände. Dann sei nur noch eine provisorische Unterbringung dieser Menschen möglich. Integration sei schon jetzt nicht mehr umsetzbar. Zudem drohten immer mehr Engpässe in der Kinderbetreuung und der medizinischen Versorgung.
"Provisorien wie Turnhallen oder Zeltstädte sind weder den Flüchtlingen noch der einheimischen Bevölkerung zumutbar", erklärte der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Bert Wendsche. "Grenzkontrollen können nur ein erster Schritt sein, dem ein konkretes Maßnahmenpaket folgen muss", so Wendsche, der parteiloser Oberbürgermeister von Radebeul ist. Die Kommunen stünden zum Recht auf Asyl, Schutzsuchende müssten aber geordnet untergebracht und integriert werden können, betonte der Präsident des Landkreistages, Henry Graichen (CDU). "Daher brauchen wir eine Begrenzung der Zugangszahlen zur Ordnung des Gesamtsystems. Eine Obergrenze ist nötig!"
Im ersten Quartal stellte die Bundespolizei 19.627 unerlaubte Einreisen nach Deutschland fest. Im gleichen Zeitraum stellten nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 80.978 Menschen erstmalig einen Asylantrag, davon 5817 Kinder im Alter von unter einem Jahr. Außerdem sind im laufenden Jahr bis 31. März laut Bundesregierung und Ausländerzentralregister 81.647 Menschen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg eingereist. Sie müssen keine Asylanträge stellen.
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