Um Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen, sollen Bund und Länder demnach ein umfassendes Paket an Maßnahmen erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Dazu gehörten eine Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, eine Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Wohnungsbau. Auch Großraum- und Schwertransporte sowie wichtige Straßen- und Schienenprojekte sollen vereinfacht werden.
Das Onlinezugangsgesetz werde die flächendeckende Digitalisierung vorantreiben. 15 Leistungen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besonders wichtig seien, sollten bis Ende 2024 digital zur Verfügung stehen. Dazu gehöre die Ummeldung des Wohnsitzes, das digitale Beantragen des Wohngeldes, des Führerscheins, des Personalausweises, des Elterngeldes sowie des Bürgergeldes. Auch die Anmeldung eines Unternehmens und einer Handwerksgründung sollten online erfolgen können.
Neue Impulse setze der "Deutschland-Pakt" mit dem Wachstumschancen-Gesetz, das ein Volumen von mehr als 32 Milliarden Euro habe. Mit dem Klima- und Transformationsfonds werde der Bund Investitionen in klimaneutrale Produktion und die Versorgung Deutschlands und Europas mit strategisch wichtigen Technologien und Rohstoffen sicherstellen. Zudem müsse es einfacher werden, Start-ups zu gründen und erfolgreich zu machen. Dazu werde das Zukunftsfinanzierungsgesetz die Rahmenbedingungen für Start-ups und Wachstumsunternehmen verbessern.
Scholz rief im Zuge des "Deutschland-Pakts" zu einer "nationalen Kraftanstrengung" gegen Bürokratie und für mehr Wachstum in Deutschland auf. "Wir müssen das Bürokratie-Dickicht lichten", sagte der Bundeskanzler. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch."
"Nur gemeinsam werden wir den Mehltau aus Bürokratismus, Risikoscheu und Verzagtheit abschütteln, der sich über Jahre, Jahrzehnte hinweg auf unser Land gelegt hat", sagte Scholz weiter. "Mein Vorschlag richtet sich aber ausdrücklich auch an Sie, verehrter Herr Merz – als Vorsitzender der größten Oppositionspartei", sagte Scholz an die Adresse von CDU-Chef Friedrich Merz. Er schlage einen "Deutschland-Pakt" vor, "der unser Land schneller, moderner und sicherer macht". Scholz: "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung. Lassen Sie uns unsere Kräfte bündeln!" Viele im Land würden gerade zu sehnsüchtig auf einen solchen "Schulterschluss" warten.
"Wir kommen voran bei der Aufgabe, unser Land so aufzustellen, dass unsere besten Tage nicht hinter uns liegen, sondern vor uns. Auch das kriegen wir hin, wenn wir zusammenhalten. Und genau das erwarten die Bürgerinnen und Bürger doch von uns. Dass wir unsere Kraft zusammennehmen und gemeinsam anpacken. Dieses Angebot mache ich ihnen heute mit dem ‚Deutschland-Pakt‘", sagte Scholz zum Abschluss seiner Rede und zeigte in Richtung der Unionsfraktion.
Unionsfraktionschef Merz hielt Scholz und seiner Ampelregierung in seiner Rede vorab vor, mit dem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr dem Anspruch einer "Zeitenwende" nicht gerecht zu werden. Er habe erhebliche Zweifel, ob man die Dimension des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und deren weitreichende Auswirkungen übereinstimmend richtig einschätze, sagte Merz in der Generaldebatte zum Haushalt 2024. Der CDU-Vorsitzende kritisierte vor allem eine mangelhafte langfristige Finanzierung der Bundeswehr. Großer Verlierer seien Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Soldaten der Bundeswehr – und auch die Bündnispartner hätten Vertrauen verloren, sagte Merz.
Das bei SPD und Grünen ungeliebte Kind Bundeswehr stehe schon in kurzer Zeit vor einer sehr viel weitreichenderen strukturellen Unterfinanzierung als zu der Zeit, als die Ampel die Bundeswehr vor zwei Jahren übernommen habe, kritisierte Merz. Spätestens 2027 werde eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt klaffen, von der die Regierung heute keine Vorstellung habe, wie sie gefüllt werden solle, sagte Merz.
Scholz habe in seiner Regierungserklärung am 27. Februar 2022 versprochen, ab sofort zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Bundeswehr zu investieren und zusätzlich ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Beschaffung großer, langjährig zu finanzierender Waffensysteme zu errichten. Die Union habe auf der Geschäftsgrundlage des Zwei-Prozent-Versprechens aus Überzeugung zugestimmt. Stattdessen sehe man nun einen weitgehend unveränderten Verteidigungsetat. Zur formalen Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels bediene sich die Ampel für den laufenden Betrieb zunehmend aus dem Sondervermögen.
Die Nato-Staaten hatten sich 2014 darauf verständigt, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert von zwei Prozent annähern sollen. Im Juli beschlossen sie, die zwei Prozent zu einem Minimalziel zu machen. Künftig sollen alle Mitgliedstaaten also mindestens zwei Prozent für Verteidigung ausgeben. Neben Deutschland verfehlen derzeit noch fast 20 weitere Nato-Staaten die zwei Prozent.
Scholz wies die Vorwürfe von Unionsfraktionschef Friedrich Merz über eine unzureichende Finanzierung der Bundeswehr zurück. Scholz sagte nach der Rede von Merz: "Es funktioniert nicht mit den Popanzen in dieser Republik." Der wichtigste Popanz, den Merz aufgebaut habe, habe etwas mit der Aufkündigung eines Konsenses zu tun, den der Bundestag mit einer Zweidrittel-Mehrheit gefasst habe, als das Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen wurde. Diesen kündige Merz gerade auf. "Das ist schlecht."
Scholz garantierte der Bundeswehr, dass die Nato-Quote auch in den Jahren 2028, 2029 und in den 30er Jahren erreicht wird – wenn das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen ausgeschöpft ist. Die Nato-Quote betrifft das Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Bundeswehr zu investieren. Scholz sagte, um das zu erreichen, müssten allerspätestens ab 2028 zusätzliche 25, vielleicht auch fast 30 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Bundeshaushalt direkt finanziert werden.
In der Generaldebatte befasste sich das Parlament am Mittwoch ab 9 Uhr vier Stunden lang mit der Regierungspolitik insgesamt. Traditionell eröffnete der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion die Aussprache, also CDU-Chef Merz. Anschließend redet Bundeskanzler Scholz.
Am Dienstag hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Entwurf des Bundeshaushalts 2024 in den Bundestag eingebracht. Im ZDF "heute-journal" verteidigte er sein Zahlenwerk. Die Schuldenbremse sei nicht gleichbedeutend mit Einsparungen. Nötig sei es auch, Prioritäten zu setzen: "Investitionen in die Infrastruktur, in die Digitalisierung, in die Modernisierung unserer Volkswirtschaften. Das tun wir. Wir haben auf Rekordniveau Investitionen eingeplant in den nächsten Jahren", sagte er. "Wir entscheiden also: Was ist wirklich erforderlich? Und was ist entbehrlich?"
Die Leitplanken seien klar: "Die eine Leitplanke heißt: Die Schuldenbremse gilt. Und die andere Leitplanke ist, dass wir auf Steuererhöhungen verzichten wollen. (...) Wir dürfen auch die Inflation nicht mit immer neuen Staatsausgaben, die schuldenfinanziert sind, befeuern. Das ist natürlich ein schwieriger Prozess, aber wir haben ihn bewältigt", sagte Lindner. Noch bis Freitag werden in erster Lesung die Haushaltspläne der einzelnen Ressorts beraten. Am Mittwoch stehen auch Verteidigung, Auswärtiges und Verkehr auf der Tagesordnung. Verabschiedet werden soll der Gesamthaushalt nach jetzigem Stand am 1. Dezember.
dp/pcl