In Flensburg wirkten Anwohner auch am Sonnabend noch geschockt. Das Wasser sei in den Keller gelaufen, obwohl sie alle Türen und Fenster abgedichtet hatten. "Wir haben uns wirklich so viele Gedanken gemacht, aber worüber wir uns keine Gedanken gemacht haben, dass es aus irgendwelchen Löchern aus den Wänden kommt." Eine Mitarbeiterin eines Restaurants am Hafen sagt, sie hätten bis 19 Uhr gekämpft. "Dann mussten wir raus." Das Wasser habe ihr bis zum Bauch gestanden. So wie ihnen erging es am Wochenende vielen Menschen an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Doch Flensburg hat es besonders getroffen. Der Pegelstand erreichte mit 2,27 Meter über dem Normalwert den höchsten Stand seit mehr als 100 Jahren.
Die Ostsee zeigte aber auch in den anderen Hafenstädten eine zerstörerische Kraft wie selten. In Eckernförde lag der Pegel bei etwa 2,1 Meter über dem Normalstand. "Wir können gegen die Ostsee nicht anpumpen", sagte der stellvertretende Stadtwehrführer Alexander Rüß. In der Altstadt boten die Behörden freiwillige Evakuierungen an, von der nach Angaben von Landrat Rolf-Oliver Schwemmer aber kaum Gebrauch gemacht wurde. In anderen Orten wie Brodersby und Arnis brachten Hilfskräfte Bewohner in Sicherheit, insgesamt mehr als 2000 Menschen.
Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei und Technisches Hilfswerk waren mit einem Großaufgebot von Kräften an der Küste unterwegs. Rund 2500 Männer und Frauen kämpften gegen das steigende Wasser. Nach Angaben des Landesfeuerwehrverbands gab es weit mehr als 1000 Einsätze im Land. In Eckernförde und Lübeck unterstützten etwa 150 Frauen und Männer des THW die Arbeiten. Auch in Damp (Kreis Rendsburg-Eckernförde) beteiligte sich das THW an den Sicherungsmaßnahmen unter anderem an einer Reha-Klinik.
Schleswig-Holsteins Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern kam aufgrund der Windrichtung mit geringeren Wasserständen und weniger Schäden davon. Die Feuerwehr Rostock verzeichnete 19 Einsätze wegen Sturms und Hochwassers. In Rostock erreichte der Pegelstand in der Nacht knapp 1,50 Meter über dem Normalwert. Auch in Dänemark war es an mehreren Orten zu Überschwemmungen gekommen. Das Wasser habe bis zu zwei Meter höher gestanden als üblich, meldete die Nachrichtenagentur Ritzau.
Der Bahnverkehr, der am Freitagabend auf mehreren Regionalstrecken in Schleswig-Holstein eingestellt worden war, lief am Sonnabend wieder an. Einschränkungen gab es noch beim Schiffsverkehr zu den Nordseeinseln und -halligen. Der Sturm hatte das Wasser aus dem Wattenmeer gedrängt und für extremes Niedrigwasser gesorgt. Der Fährverkehr zwischen Deutschland und Dänemark lief am Sonnabend ebenfalls wieder an.
Während in den Häfen damit begonnen wurde, die Schäden zu sichten und aufzuräumen, deutete sich auch ein politisches Nachspiel an. Der Bundestagsabgeordnete des Südschleswigsche Wählerverbands, Stefan Seidler, forderte mehr Schutz: Dieser Sturm müsse wachrütteln. "Das Wasser kann völlig ungehindert in unsere Städte und Ortschaften fließen", so Seidler. "Die Menschen waren auf sich selbst gestellt. Das kann nicht sein."
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt, wurde deutlicher: "Die Küstenschutzkonzepte haben sich leider längst nicht überall bewährt, entsprechend sind sie nun angesichts der aktuellen Erfahrungen zum Teil auf den Prüfstand zu stellen und womöglich anzupassen", erklärte er. Besonders wichtig sei es, dass der Katastrophenschutz im Innenministerium endlich nachhaltig gestärkt werde. "Die hierfür von der Landesregierung angekündigten 15 Stellen müssen jetzt endlich besetzt werden."
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), der sich gemeinsam mit Kabinettskollegen vor Ort ein Bild machte, sprach den Helfern unterdessen seinen Dank aus .Sie hätten "Großartiges geleistet und sich dafür eingesetzt haben, noch Schlimmeres zu verhindern, auch wenn es natürlich im Einzelnen zu ganz erheblichen Schäden gekommen ist."
Günther stellte angesichts der schweren Schäden finanzielle Hilfen des Landes in Aussicht. Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) unterstrich das: "Angesichts der schon jetzt sichtbaren Schäden ist klar, dass das Land mit finanziellen Mitteln helfen muss und helfen wird."