"Dank der Geoblocking-Verordnung können Verbraucherinnen und Verbraucher online in einem anderen EU-Land Kleidung, Brillen oder Eintrittskarten für Veranstaltungen und Vergnügungsparks zu den gleichen Preisen und Bedingungen wie die Bürgerinnen und Bürger vor Ort kaufen", sagte Anna Cavazzini (Grüne), die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament. "Das gilt allerdings nicht notwendigerweise für Fernsehprogramme, Filme, die Übertragung von Sportereignissen oder Angebote von Streaming-Diensten aufgrund einer Ausnahme aus der Geoblocking-Verordnung", führt sie aus. Hintergrund ist, dass Einschränkungen bei audiovisuellen Diensten laut der Bundesnetzagentur nicht in den Geltungsbereich der Verordnung fallen.
Verbraucherschützer pochen schon länger darauf, dass diese Ausnahme fallen sollte. In einem echten digitalen Binnenmarkt sei es nur natürlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Zugang zu digitalen Inhalten und Diensten von Anbietern jenseits der Grenzen haben sollten, sagt Martin Madej vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). "Viel zu oft werden sie jedoch daran gehindert, Fernsehsendungen, Sport und Filme anzusehen oder Bücher online zu lesen, wenn sie versuchen, die Inhalte aus dem Ausland zu erreichen."
Die Filmwirtschaft sieht das anders. Aus der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) hatte es vorab Bedenken gegeben, dass das Parlament am Mittwoch eine Überarbeitung auf den Weg bringt, bei der audiovisuelle Dienste nicht mehr ausgenommen seien. Die Mehrzahl der Filme könne erst durch die exklusive territoriale Lizenzierung finanziert werden. Sie kämen nur in die Gewinnzone, wenn sie in mehr als etwa 10 EU-Mitgliedsstaaten vermarktet würden. "Diese Exklusivität wird durch ein Geoblocking technisch abgesichert", argumentierte der Verband.
"Geoblocking ist unabdingbar, um eine vielfältige, mittelständisch geprägte Filmlandschaft in Europa zu sichern", sagte Präsident Christian Sommer im vergangenen Frühjahr. Aus gutem Grund sei der audiovisuelle Bereich daher aus der Geoblocking-Verordnung ausgenommen – und das müsse auch in Zukunft so bleiben. Vor wenigen Tagen appellierte die SPIO an die Abgeordneten des EU-Parlaments, sicherzustellen, dass audiovisuelle Dienste weiterhin von der Geoblocking-Verordnung ausgenommen bleiben.
Zwar ging es am Mittwoch noch nicht um eine endgültige Entscheidung, sondern um einen Bericht an die EU-Kommission. Der CDU-Politiker Andreas Schwab, der für als Sprecher EVP-Fraktion im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sitzt, sagte dem RND: "Der Bericht fordert die Kommission dazu auf, bis 2025 zu prüfen, ob und wie die schrittweise Einführung des Geoblocking-Verbots auf den audiovisuellen Sektor gelingen kann". Gleichzeitig werde die Kommission aufgefordert, jetzt schon kulturelle Vielfalt zu fördern, indem sie beispielsweise mehr Projekte zur Synchronisierung und Untertitelung audiovisueller Werke finanziert und auf einen besseren Zugang zu Werken des kinematografischen Erbes hinwirkt.
Anna Cavazzini reicht das nicht. "Leider hat das Europaparlament heute die Chance verpasst, die Europäische Kommission für die 2025 ohnehin anstehende Überprüfung der Geoblocking-Verordnung dazu aufzufordern, auch die Ausnahme für audiovisuelle Dienste unter die Lupe zu nehmen", sagte sie. "Einerseits gilt es, dabei das Blocken des Zugangs zu Audio- und Videoinhalten rein auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts auf den Prüfstand zu stellen, was von Verbraucherinnen und Verbrauchern als besonders problematisch empfunden wird." Andererseits müsse man die kulturelle Diversität in der EU wahren und den Kultursektor – besonders kleine, unabhängige Kulturschaffende – stärken.
Die SPIO sprach wiederum von einem wichtigen Signal. "Wir bedanken uns bei allen Abgeordneten, die sich in die komplexe Wertschöpfungskette der audiovisuellen Branche hineingedacht haben", sagte SPIO-Präsident Christian Sommer. "Auch wenn Geoblocking sich auf den ersten Blick als Hindernis für den Digitalen Binnenmarkt anfühlen mag, ermöglicht es für uns im Film erst die europäische Zusammenarbeit." Verbraucherinnen und Verbraucher käme diese Entscheidung langfristig zugute: "Sie profitieren von einem vielfältigen Angebot an Filmen in zahlreichen Sprachversionen und müssen keinen europaweiten Einheitspreis fürchten." Zudem sei möglich, bei zeitlich begrenzten Aufenthalten das Abo mit ins EU-Ausland zu nehmen.