Außerdem geht es um viel Geld: Nachdem für Ägypten 2023 zur Bekämpfung von Migrationsströmen bereits 115 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt genehmigt wurden, sind für dieses Jahr weitere 87 Millionen Euro für den ägyptischen Grenzschutz und den Kampf gegen Schleuser vorgesehen. Ein Sprecher der EU-Kommission, dass Ägypten zudem in diesem Jahr drei neue Patrouillenboote im Wert von 23 Millionen Euro erhält. Weitere 20 Millionen Euro soll das ägyptische Innenministerium für die Anschaffung weiterer Ausrüstung bekommen.
Ein zweistelliger Millionenbetrag soll zudem in den Ausbau der Grenzüberwachung mit Drohnen sowie Überwachungskameras fließen und wird aus Mitteln der Europäischen Friedensfazilität finanziert. Aus diesem Topf können sich EU-Staaten die Kosten für Waffenlieferungen an die Ukraine und die Ausbildung ukrainischer Soldatinnen und Soldaten erstatten lassen.
Derzeit werde ein Programm zur Unterstützung des ägyptischen Innenministeriums bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität erarbeitet, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. "Die Kommission befindet sich in Gesprächen mit potenziellen Agenturen der Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen als Umsetzungspartner für das Programm.
Abkommen, wie dieser Deal mit Ägypten, sollen durch sogenannte Talentpartnerschaften attraktiver gemacht werden. Talentierte Fachkräfte aus Ägypten sollen durch Visaerleichterungen einfacher in der EU arbeiten dürfen.
Vorbild für die Verhandlungen mit Ägypten ist das im vergangenen Jahr geschlossene Abkommen mit Tunesien. Die EU zahlt dem Land einen dreistelligen Millionenbetrag, um die Flucht über das Mittelmeer einzudämmen. Doch der Erfolg lässt auch ein halbes Jahr später auf sich warten. Die Zahl der Geflüchteten aus Tunesien bleibt weiter hoch.
Im EU-Parlament, das bei den Verhandlungen mit Ägypten bisher weitgehend außen vor gelassen wurde und das kaum Informationen erhält, gibt es erhebliche Zweifel. "Es ist befremdlich, dass die Kommission einen neuen Deal mit Ägypten abschließen will, nachdem gerade der Deal mit Tunesien gescheitert ist", sagt Grünen-Politiker Erik Marquardt. "Das oberste Ziel von Partnerschaftsabkommen sollte die Förderung von Demokratie vor Ort sein, nicht die Einschränkung von Migration."
Ägypten wird wegen Menschenrechtsverletzungen und Aushöhlung der Demokratie immer wieder massiv kritisiert. Unabhängige Organisationen wie Human Rights Watch (HRW) bemängeln eine "brutale und systematische Unterdrückung" von Kritikerinnen und Kritikern. Die autoritäre Regierung lasse sie willkürlich verhaften, die Opposition, eine unabhängige Justiz und freie Medien existierten kaum. "Ägyptische Sicherheitskräfte sind berüchtigt für ihre systematische Folter", so Human Rights Watch.
Die Organisation hat nach eigenen Angaben schwere Misshandlungen von Asylsuchenden und Menschenrechtsverstöße durch die ägyptischen Behörden dokumentiert, darunter körperliche Gewalt, die Inhaftierung von Kindern, die rechtswidrige Abschiebung von Menschen aus Eritrea und mangelnden Schutz vor sexualisierter Gewalt. In der Ausweitung der europäischen Unterstützung sieht sie eine "Garantie für weitere Menschenrechtsverletzungen". Die EU sei besessen davon, Migration um jeden Preis einzudämmen, und gebe dabei ihre eigenen menschenrechtlichen Standards auf.
Grünen-Politiker Marquardt verweist darauf, dass das Europaparlament zahlreiche Resolutionen zu Menschenrechtsverletzungen in Ägypten verabschiedet hat, die letzte erst im Oktober. "Das ägyptische Regime ist eine Militärdiktatur mit einer miserablen Menschenrechtsbilanz", stellt er klar. "Diese Akteure sollten wir nicht auch noch mit EU-Geldern unterstützen." Die Kommission müsse begreifen, dass Europa die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht lösen könne, indem sie Autokraten Geld gebe, damit sie den Türsteher spielten.