Das Modell werde "seit Jahren als Vorschlag in der Gesellschaft aufgenommen und in den vergangenen Monaten vermehrt von Parteien, Gewerkschaften und Verbänden diskutiert", so Schirdewan. "Die Politik darf sich bei der Frage nicht weiter wegducken und muss jetzt ein ernsthaftes Diskussionsformat anbieten, aufgrund dessen sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf eine dringend notwendige Arbeitszeitverkürzung einigen können." Eine solche gesellschaftliche Debatte wäre auch ein wichtiges Zeichen gegen den steigenden Demokratieverdruss und das Gefühl, wenig Mitbestimmung zu haben, so der Linken-Chef.
Aus Sicht der Linken gebe es zahlreiche Argumente für die Viertagewoche. In einem Thesenpapier hat die Partei einige davon gesammelt. So habe eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2022 ergeben, dass sich 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten eine solche Arbeitszeitverkürzung auf 30 bis 32 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt wünscht. Die Befragten würden vor allem die Frei- und die Familienzeit begrüßen, die dadurch gewonnen werden würde.
Mehr Zeit für die Familie zu haben kommt laut dem Thesenpapier auch der Geschlechtergerechtigkeit zugute. Die freigewordene Zeit könnten gerade Männer dann vermehrt in Haus- und Sorgearbeit investieren, um ihre Partnerin so zu entlasten. Auch gesundheitlich sollen Arbeitgeber von der Viertagewoche profitieren. Das Papier führt hier eine Studie der Techniker-Krankenkasse an. Laut dieser geben 40 Prozent der befragten Betriebe an, dass psychische Erkrankungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein immer wichtigeres Thema werden. Momentan machen Krankschreibungen aufgrund psychischer Belastungen 18 Prozent der Fehltage aus.
Auch in Sachen Produktivität können Unternehmen von der Viertagewoche profitieren. Im Thesenpapier wird dazu die "4 Day Week Global Study" genannt. Laut der Studie habe man bei der Viertagewoche festgestellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der verkürzten Arbeitszeit sogar produktiver wurden. Die Forscher sprechen von einer Steigerung von 38 Prozent, mit denen auch die gestiegenen Lohnkosten kompensiert werden können.
Mit der Viertagewoche können Betriebe auch attraktiver werden – vor allem für jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denn gerade unter Angehörigen der Generation Z und der Millenials werden kürzere Arbeitszeitmodelle immer beliebter. So kann die Viertagewoche dazu beitragen, junge Fachkräfte für den Betrieb zu gewinnen und diese auch dort zu halten. Für den Arbeitsmarkt würde die Viertagewoche außerdem bedeuten, dass mehr Arbeitsplätze frei würden. Bis zu 800.000 Stellen würden laut Angaben der Linken durch eine Verkürzung der Arbeitszeit geschaffen werden können.
Mit ihren Forderungen steht die Linke nicht allein da. Die IG Metall fordert in ihren aktuellen Tarifverhandlungen, deren zweite Runde an diesem Freitag ergebnislos beendet wurde, die Einführung der Viertagewoche für Stahlarbeiter. Auch der Bundesverband Schauspiel (BFFS) machte sich am 15. November zusammen mit Verdi in Tarifverhandlungen mit der Produzentenallianz in Berlin-Tempelhof für die Viertagewoche für Filmschaffende stark. Ob das Modell auch in Deutschland Zukunft hat, möchte ein Pilotprojekt herausfinden. Unternehmen können sich bei der Beratungsfirma Intraprenör bewerben, die ihnen dann dabei hilft, die Viertagewoche im eigenen Betrieb umzusetzen.