Der Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, mahnte, es dürfe nicht bei Absichtserklärungen bleiben. Ohne konkrete gesetzgeberische Schritte in den kommenden Wochen und Monaten drohe sich die Situation zuzuspitzen, sagte er. "Konkret bedeutet das, dass immer mehr Patientinnen und Patienten keine Hausarztpraxis mehr finden, die sie noch aufnehmen kann und gleichzeitig die Wartezeiten immer länger werden." Das Krisentreffen bei Lauterbach müsse ein Wendepunkt gegen ein drohendes Wegbrechen der hausärztlichen Versorgung sein.
Zuletzt hatten Ärzteverbände dazu aufgerufen, Praxen bundesweit zwischen den Jahren geschlossen zu halten. Die Proteste fanden als Teil einer Kampagne unter dem Motto "Praxis in Not" statt. Bereits an einem Brückentag im Oktober waren viele Arztpraxen aus Protest geschlossen geblieben. Kritiker hatten den Medizinern vorgeworfen, ihrem Unmut auf Kosten der Patientinnen und Patienten Luft zu machen. So müssten Ärzte der Notfallversorgung beispielsweise im Krankenhaus einspringen, wenn den Patienten im Akutfall keine offene Praxis zur Verfügung stehe.
Beier forderte, dass die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung nun tatsächlich kommen müsse. "Damit wäre sichergestellt, dass die Hausarztpraxen endlich auch für alle Leistungen bezahlt werden, die sie erbringen." Dies sei heute nicht überall der Fall. "Hier ist die Geduld der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen langsam am Ende." Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: "Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf." Der auch bei anderen Arztgruppen existierende Deckel bei der Bezahlung war im vergangenen Jahr bereits bei den Kinderärztinnen und -ärzten aufgehoben worden. Lauterbach hatte argumentiert, dass dies auch im Hinblick auf einen Mangel an Kinderärzten geschehe.
In Teilen Deutschlands herrscht auch bei den Hausärzten ein eklatanter Mangel - vor allem in ländlichen Regionen. Hausärzte-Verbandschef Beier sprach von einer "ausgewachsenen Krise der hausärztlichen Versorgung". Viele Praxen seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit. "Leider bekommen auch die Patientinnen und Patienten die Folgen inzwischen hautnah zu spüren."
Beier forderte auch einen spürbaren Abbau der immer weiter ausufernden Bürokratie. Auch Lauterbach hatte in einem Interview gesagt: "In den letzten Jahren hat sich eine enorme Bürokratie in den Praxen aufgebaut - das muss jetzt ein Ende haben." Seit Monaten arbeite sein Ministerium bereits an einem Gesetz zum Bürokratieabbau.
Forderungen nach generell mehr Geld erteilte Lauterbach hingegen eine Absage. Andere Ärzteverbände hatten gefordert, dass die Budgets, also die Gesamtgrenzen bei der Bezahlung der niedergelassenen Ärzte, generell abgeschafft werden sollten.
Ihre Einnahmen erzielen Arztpraxen zu mehr als 70 Prozent aus der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts für 2021 lagen die durchschnittlichen Einnahmen bei 756.000 Euro. Dem standen Aufwendungen von 420.000 Euro gegenüber. Daraus ergab sich ein durchschnittlicher Reinertrag von 336.000 Euro je Praxis. Beeinflusst werde dieser Wert aber durch Praxen mit sehr hohen Einnahmen und Ausgaben, hieß es. Etwa die Hälfte hatte Einnahmen von bis zu 464.000 Euro und einen Reinertrag von bis zu 233.000 Euro. Die Angaben beziehen sich auch auf Gemeinschaftspraxen und Versorgungszentren mit mehreren Ärzten.
Der Reinertrag sei nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen, erläuterten die Statistiker. Er stelle das Ergebnis des Geschäftsjahres der gesamten Praxis dar, berücksichtige aber zum Beispiel nicht Aufwendungen für Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaber. Kosten für Personal seien in den Aufwendungen enthalten. Nach Angaben des Virchowbunds sind auch Einkommenssteuer und Investitionen in medizinische Geräte daraus zu bezahlen.