Wer kann die AfD überhaupt verbieten?
Parteien können in Deutschland nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden. Das Verfahren ist aufwendig, kompliziert und äußerst selten. In der bundesdeutschen Geschichte hat das Bundesverfassungsgericht erst zweimal ein Parteiverbot ausgesprochen. Im Jahr 1952 wurde die nationalsozialistische Sozialistische Reichspartei verboten, vier Jahre später die Kommunistische Partei Deutschlands. Die beiden Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD (inzwischen umbenannt in Die Heimat) scheiterten 2003 und 2017.
Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung können ein Parteiverbot beantragen. Die Karlsruher Richterinnen und Richter prüfen dann zunächst, ob ein Hauptverfahren eröffnet wird oder ob der Antrag als unzulässig oder nicht hinreichend begründet zurückgewiesen wird.
Welche Erfolgsaussichten hat ein Verbotsverfahren?
Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte, weil die Partei bis in die Führungsebene mit V‑Leuten durchsetzt war. Dadurch ließ sich das verfassungswidrige Handeln der Partei kaum von den Tätigkeiten der bezahlten V‑Leute trennen. Das zweite Verbotsverfahren scheiterte schließlich, weil die Karlsruher Richterinnen und Richter zwar von der verfassungsfeindlichen Ausrichtung der NPD überzeugt waren – aber keine ernsthafte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung in der Partei sahen. Die NPD sei schlicht zu klein und unbedeutend, um sie zu verbieten.
Anders sieht es bei der AfD aus. Sie könnte bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stärkste Kraft werden. Hier bestünde die Schwierigkeit vor allem darin, juristisch einwandfrei nachzuweisen, dass sich die Partei aggressiv und kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. Dabei würde sich das Gericht nicht allein auf die Einschätzungen des Verfassungsschutzes verlassen, sondern selbst Beweise erheben. Anders als bei klar neonazistischen Parteien wie der NPD sind die Parteiprogramme der AfD und auch viele Äußerungen ihrer Funktionäre nicht so eindeutig verfassungswidrig. Die Karlsruher Richter müssten sowohl die offiziellen Positionen der Partei als auch die Äußerungen und Handlungen ihrer Politiker und Mitglieder gegeneinander abwägen.
Der Ausgang eines solchen Verbotsverfahrens ist schwer vorherzusagen. Auch Staatsrechtler sind sich in dieser Frage uneinig. Die Hürden für ein Parteiverbot sind in Deutschland jedoch außerordentlich hoch.
Was spricht für ein Verbot?
Die AfD hat sich seit ihrer Gründung zunehmend radikalisiert. Inzwischen werden weite Teile der Partei vom Verfassungsschutz, aber auch von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen als rechtsextremistisch eingestuft. Als Partei, die im Bundestag sowie in Landes- und Kommunalparlamenten vertreten ist, verfügt die AfD nicht nur über umfangreiche Strukturen, die sie zur Umsetzung ihrer rechtsextremen Agenda nutzen kann, sondern sie erhält auch Millionen Euro an Steuergeldern. Ein Parteiverbot wäre nicht nur der härteste, sondern auch der effektivste Schritt, um zu verhindern, dass die AfD auf politischem Wege gegen den Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeitet.
Was spricht gegen ein Verbot?
Millionen Menschen haben bei den letzten Wahlen die AfD gewählt. In den ostdeutschen Bundesländern ist die AfD laut Umfragen derzeit die beliebteste Partei in der Wählergunst. Dies macht ein mögliches Verbot der Partei schwierig und demokratietheoretisch problematisch. Kritiker eines Verbots argumentieren, dass ein Verbot nur zeigen würde, dass die demokratischen Parteien nicht anders mit der AfD umgehen können. Sollte ein Verbotsverfahren in Karlsruhe eröffnet und die AfD am Ende nicht verboten werden, könnte die Partei dies zudem als wichtigen Sieg verbuchen.
Wer befürwortet ein AfD-Verbot?
Die SPD-Chefin Saskia Esken sagte der dpa vor wenigen Tagen, ein Verbot der Partei solle zumindest immer und immer wieder geprüft werden. "Es ist wichtig, dass über ein AfD-Verbot gesprochen wird und so auch Wählerinnen und Wähler aufgerüttelt werden", so Esken.
Im Deutschen Bundestag setzt sich vor allem der sächsische CDU-Abgeordnete und ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, für ein Verbot der AfD ein. Seit dem vergangenen Jahr wirbt Wanderwitz im Parlament fraktionsübergreifend um Mitstreiterinnen und Mitstreiter für einen entsprechenden Antrag.
Der Staatsrechtler Christoph Möllers plädierte im vergangenen Dezember in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" dafür, ein Verbot der AfD zumindest zu diskutieren. Es habe in der Bundesrepublik noch nie eine Partei gegeben, "die so erfolgreich und gleichzeitig möglicherweise verfassungsfeindlich ist".
Wer ist gegen ein AfD-Verbot?
Der aktuelle Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), sprach sich nun gegen ein Verbot der AfD aus. "Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die juristischen Erfolgsaussichten schätzt er als gering ein. In der Vergangenheit hatten sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD), sowie CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder gegen ein AfD-Verbot ausgesprochen.
Wie wird die AfD vom Verfassungsschutz eingestuft?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, den offiziell aufgelösten "Flügel" der Partei und die AfD-Jugendorganisation sogar als erwiesen rechtsextrem. Dagegen geht die AfD jedoch juristisch vor, im Februar wird eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu diesen Einstufungen erwartet. Die Verfassungsschutzämter in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt stufen die jeweiligen Landesverbände bereits vollständig als gesichert rechtsextrem ein. Auf diese Einstufungen und die weiteren Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter dürfte sich auch ein möglicher Verbotsantrag von Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat stützen.