Als Beispiel nannte Rias die Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin am Sonntag mit rund 1000 Menschen. Dabei seien Parolen gerufen worden, die die Auslöschung Israels gefordert und den Terrorangriff der Hamas verherrlicht hätten.
Darüber hinaus seien 21 Fälle dokumentiert, in denen Kundgebungen und Schweigeminuten für Israel gestört worden seien. "Neben Rufen und Beleidigungen kam es auch zu einer Bedrohung und sechs Angriffen", teilte Rias mit. So seien in Kiel Menschen bei einer Solidaritätskundgebung angespuckt worden. In 33 Fällen seien Israelflaggen an öffentlichen Gebäuden beschädigt oder entwendet worden. Unter anderem in Mainz sei eine Israelflagge abgerissen und angezündet worden.
Darüber hinaus registrierte Rias seit dem 7. Oktober fünfzehn antisemitische Vorfälle "im Wohnumfeld". "Wohnhäuser wurden mit Davidsternen beschmiert, was besonders bedrohlich wirkte", hielt die Meldestelle fest. Allein in Berlin und Nordrhein-Westfalen seien zehn solcher Schmierereien bekannt geworden. Bei drei Vorfällen sei bekannt, dass in den Wohnungen Jüdinnen und Juden wohnten. Diese Markierungen seien wegen der Erinnerung an den Nationalsozialismus besonders verunsichernd. Rias ist ein Netzwerk von Meldestellen, bei denen Betroffene und Zeugen von antisemitischen Vorfällen berichten können. Die Dokumentationsstelle wird gefördert vom Bundesbeauftragten gegen Antisemitismus, Felix Klein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den versuchten Brandanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin verurteilt und zugleich vor einem Generalverdacht gegen Muslime gewarnt. "Mein Appell an alle ist, dass wir aufgrund unserer Geschichte alles dafür tun müssen, dass sich Antisemitismus in diesem Land nicht weiter ausbreitet", sagte Steinmeier am Mittwoch bei einem dreitägigen Besuch im südthüringischen Meiningen. Man sollte aber auch nicht in einen Generalverdacht gegenüber allen Muslimen verfallen, warnte der 67-Jährige.
Auf ein Gemeindezentrum in Berlin-Mitte waren nach Angaben der Gemeinde in der Nacht zu Mittwoch Brandsätze geworfen worden. Das Gebäude geriet nicht in Brand. Die Brandsätze sollen es verfehlt haben, wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf die Polizei berichtete. Neben einer Synagoge ist dort auch eine Kindertagesstätte untergebracht.
"Ich will hier in aller Deutlichkeit sagen: Das wollen und werden wir in Deutschland nicht dulden", sagte Steinmeier. Deutschland habe ein besonderes Verhältnis zu Israel. Man sei über eine schreckliche Geschichte miteinander verbunden. "Dieses besondere Verhältnis zu Israel muss jeder kennen, der in Deutschland lebt." Jeder müsse die Geschichte von Auschwitz kennen "und die Verantwortung und den Auftrag", die sich daraus ableiteten.
Steinmeier zeigte sich auch angesichts einer Explosion an einem Krankenhaus im Gazastreifen bestürzt und sprach von "furchtbaren Bildern". Er wies darauf hin, dass sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch US-Präsident Joe Biden öffentlich gesagt hätten, es komme darauf an, dass humanitäre Hilfe in den Gaza-Streifen gelange. "Das ist auch notwendig zu sagen, im Wissen darum, dass Israel der angegriffene Staat ist", sagte Steinmeier. Israel habe das Recht, sich gegen den Überfall der Hamas zur Wehr zu setzen. "Gleichwohl: Zugang zu humanitärer Hilfe ist etwas, das auch in Kriegszeiten gewährleistet werden muss."
Bundeskanzler Olaf Scholz hat verstärkte Sicherheitsvorkehrungen nach dem Brandanschlag in Berlin angekündigt. "Es ist ganz klar, dass wir nicht hinnehmen werden und niemals hinnehmen werden, wenn gegen jüdische Einrichtungen Anschläge verübt werden", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in Kairo. Auch gewalttätige und mit antisemitischen Parolen begleitete Veranstaltungen seien nicht zu akzeptieren. "Da müssen die Versammlungsbehörden das ihre tun, zum Schutz der jüdischen Einrichtungen die Polizei. Und das werden wir auch machen und alles verstärken."
Scholz will an diesem Sonntag an der Eröffnung der Synagoge in Dessau teilnehmen, wie der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag ankündigte. Die Bundesregierung verurteile den Anschlag auf das Gemeindezentrum auf das Schärfste. "Aggression und Hass gegen eine Religion und gegen die, die ihr angehören, tolerieren wir nicht. Wir stellen uns dem mit aller Kraft entgegen", sagte Büchner. Der Kampf gegen Antisemitismus sei eine zentrale Aufgabe des demokratischen Rechtsstaats und der gesamten Gesellschaft. "Die Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens, aber auch der Schutz jüdischer Einrichtungen hat für uns oberste Priorität."
Die islamistische Hamas hat unterdessen zu weltweiten Protesten am Wochenende aufgerufen. Ein Repräsentant der Gruppierung, die in der EU und USA als Terrororganisation eingestuft wird, sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in der libanesischen Hauptstadt Beirut: "Wir rufen unser palästinensisches Volk und das Volk der arabischen und islamischen Nation auf, am kommenden Freitag in allen Städten (...) zu demonstrieren." Auch am Sonntag sollten die Proteste gegen "Massaker, Kriegsverbrechen und Völkermorde in Gaza" weitergehen.
Die Hamas forderte die Ausweisung aller israelischer Botschafter in allen arabischen und islamischen Ländern und den Stopp aller diplomatischen Bemühungen, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren.