Auf dem dreitägigen SPD-Parteitag in Berlin stellten sich auch der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil sowie SPD-Generalsekretär zur Wiederwahl. Die Umfragewerte von Bundeskanzler Olaf Scholz sind auf einen neuen Tiefststand gesunken. Scholz soll auf dem Parteitag am Samstag eine Rede halten. Er tritt ohne fertigen Haushaltsplan an das Rednerpult. Mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat er sich noch darauf einigen können, wie das durch ein Urteil der Bundesverfassungsgerichts entstandene Haushaltsloch von 17 Milliarden Euro gestopft werden soll.
SPD-Chef Lars Klingbeil hat seine Partei aufgerufen, sich von schlechten Umfragewerten nicht beeindrucken zu lassen und sich als Bollwerk gegen die Rechts-Extremen zu begreifen. Von den Delegierten des SPD-Bundesparteitags wurde er für seine Rede zur Wiederbewerbung als Parteivorsitzender mit stehenden Ovationen gefeiert.
"Die SPD ist immer wieder aufgestanden", sagte Klingbeil. "Wir haben immer an uns geglaubt, auch wenn andere uns abgeschrieben haben. Wir waren vor allem dann stark, wenn unser Ziel klar war." Die SPD sei wichtig, um die Gesellschaft zusammenzuhalten und zu verhindern, dass Rechts-extreme Macht bekämen. "Wir sind die Partei, die Brücken baut, wo andere Gräben aufreißen. Wir bringen zusammen, wo andere spalten." Die SPD sorge dafür, dass die AfD nicht die Macht in Deutschland bekomme. "Wir sind das Bollwerk", rief Klingbeil unter dem Applaus der Delegierten. Die AfD führe das Land ins Verderben und sei eine "arbeiterfeindliche Partei".
Eindringlich forderte Klingbeil eine Einigung der Koalition auf einen Haushalt 2024 und nahm dabei indirekt die FDP in den Fokus. "Anstatt mit vielen Worten darüber zu philosophieren, ob wir eine ganze, eine halbe oder gar keine Notlage haben, hilft es manchmal auch einfach, die Augen auf zu machen und in die Welt zu schauen", sagte er.
Deutschland müsse die Ukraine, die nach wie vor von der Atommacht Russland angegriffen werde, weiter unterstützen. "Da darf es doch kein Wackeln geben", sagte Klingbeil. "Der Weg aus der Notlage führt darüber, dass wir die Realität anerkennen." Die SPD will die Kosten für die Unterstützung der Ukraine mit dem Hinweis auf eine Notlage aus dem Bundeshaushalt herausnehmen. Die Definition einer Notlage ist notwendig, um die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse einzuhalten.
Bei der anschließenden Wahl hat die SPD hat ihre Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil für weitere zwei Jahre wiedergewählt. Auf dem Bundesparteitag in Berlin erhielt die 62-Jährige am Freitag 82,6 Prozent der Stimmen, Klingbeil 85,6 Prozent. Auch die Wiederwahl von Generalsekretär Kevin Kühnert gilt als. Die drei wollen die SPD gemeinsam in den nächsten Bundestagswahlkampf führen - wann auch immer der stattfindet.
Die turnusmäßige Wahl der Führungsriege dürfte der harmonischste Part des Parteitags gewesen sein. Neben der aktuellen Haushaltkrise wird als weiteres Streitthema die Migrationspolitik im Fokus stehen. Mit einem Kompromissantrag will die SPD-Spitze die Kritiker des Regierungskurses bei dem Thema besänftigen. Darin wird unter anderem die umstrittene Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer unterstützt und die Erleichterung des Nachzugs von Familienangehörigen von Flüchtlingen gefordert.
Auf dem Parteitag sollen drei weitere Leitanträge zur Modernisierung Deutschlands, zur außenpolitischen Neuaufstellung und zur Bildungspolitik verabschiedet werden. Der Antrag zur Modernisierung des Landes sieht vor, dass die Einkommenssteuer für 95 Prozent der Bevölkerung gesenkt werden soll. Dafür sollen Reiche unter anderem durch eine temporäre "Krisenabgabe" stärker zur Kasse gebeten werden. Die SPD will auch die Schuldenbremse lockern, den Mindestlohn erhöhen und Investitionen von 100 Milliarden Euro jährlich in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und den Umbau der Industrie stecken.