Für Michala Clante Bendixen von Refugees Welcome Dänemark ist die Lage der drei Standorte ein Sinnbild der dänischen Flüchtlingspolitik. Anders als in Deutschland herrscht hier ein weitreichender politischer Konsens, möglichst wenig Asylbewerber ins Land zu lassen. 2019 beschloss das Parlament mit einer Mehrheit von Rechtspopulisten, bürgerlichen Parteien und Sozialdemokraten einen sogenannten Paradigmenwechsel, nach dem Aufenthaltsgenehmigungen für Flüchtlinge grundsätzlich befristet sind und nach Möglichkeit nicht verlängert beziehungsweise widerrufen werden sollen. Leistungen für Asylbewerber wurden gekürzt, Aufenthalts- und Meldepflichten verschärft, die Rückführung ins Herkunftsland erleichtert.
Zusätzlich schaltete die Regierung im Nahen Osten Anzeigen, in denen sie Flüchtlinge vor Dänemark warnte, und boxte ein Schmuckgesetz durch, nach dem die Polizei Asylbewerbern Wertgegenstände abnehmen darf, um damit deren Aufenthalt in Dänemark zu finanzieren. Ein Ghettogesetz verdoppelt unter anderem das Strafmaß für Menschen, die in bestimmten Wohngebieten leben. Das soll gegen Parallelgesellschaften helfen.
Die dänische Flüchtlingspolitik bestehe darin, Menschen zu verschrecken, sagt Bendixen. Das Schmuckgesetz etwa funktioniere praktisch nicht und werde kaum angewendet. "Das ist reine Symbolpolitik." Der Regierung sei es wohl eher auf die Außenwirkung angekommen.
Treibende Kraft hinter diesem Vorgehen war nicht allein die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die bei den Wahlen nach dem Paradigmenwechsel abstürzte, sondern auch die damalige Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støjberg von der rechtsliberalen Partei Venstre. Die 50. Verschärfung der Ausländerregeln bejubelte sie 2017 mit einer Jubiläumstorte und den Worten: "Das muss gefeiert werden."
Befürworter einer härteren Asylpolitik in Deutschland preisen die Zahlen aus Dänemark gern als beispielhaft. Nach Angaben des Kopenhagener Ausländer- und Integrationsministeriums haben im vergangenen Jahr 4597 Menschen Asyl in Dänemark beantragt, in Deutschland waren es mehr als 244.000 Anträge. Um die Zahlen vergleichbar zu machen: Deutschland hat zwar rund 14 mal so viele Einwohner wie Dänemark, aber 53 mal mehr Asylbewerber.
Wer sich in Dänemark als Asylbewerber registrieren lässt, landet in der Regel erst einmal in Sandholm und wird befragt. Danach sortiert die Einwanderungsbehörde die Menschen aus, die in Staaten des Dublin-Abkommens registriert sind, das europäische Asylverfahren regelt. Für diese Flüchtlinge fühlt sich Dänemark nicht zuständig. Die Übrigen werden in drei Gruppen geteilt: Bewerber, die offensichtlich abgelehnt werden können, Antragsteller, die genauer geprüft werden müssen, und Menschen mit einleuchtenden Asylgründen.
Anerkannten Flüchtlingen wird ein Wohnort zugewiesen, in der Regel für zunächst drei Jahre, oft in einem Asylzentrum, das ähnlich abgelegen ist wie Sandholm. Die Zentren haben einen Kindergarten. Minderjährige im schulpflichtigen Alter bekommen Schulunterricht, zuerst im Asylzentrum und sobald sie fit dafür sind in normalen Schulen in der Umgebung. Für Erwachsene gibt es Dänisch-Unterricht. Schon in Sandholm grüßen viele bereits in der Landessprache. Die Bewohner erhalten ein Taschengeld, das sie aufbessern können, wenn sie bestimmte Arbeiten übernehmen.
Abgelehnte Asylbewerber werden in eines von drei Abschiebezentren geschickt. Dort landen auch Menschen, deren Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde oder deren Heimat die dänischen Behörden für sicher erklärt haben, und zwar selbst dann, wenn sie seit Jahren in Dänemark leben, Dänisch sprechen, Arbeit haben und ihre Familie ernähren. Gerade erst machte der Fall der Russin Larissa Okulowa Schlagzeilen, deren Aufenthaltsgenehmigung nach 19 Jahren aufgehoben wurde, nachdem ihr in Dänemark angestellter Mann gestorben war.
Abgelehnten Asylbewerbern bieten die dänischen Behören 20.000 Kronen, wenn sie auf einen Einspruch verzichten. Doch darauf gehen die wenigsten ein. Wer nicht einlenkt, muss mit einer anderen "motivationsfördernden Maßnahme" rechnen - der Einweisung nach Ellebæk, von dem der Chef des Antifolterkomitees des Europarats gesagt hat, selbst Gefängnisse in Russland seien besser.
Støjberg hat auf solche Kritik entgegnet, sie wolle den in Dänemark unerwünschten Insassen von Abschiebezentren das Leben so unerträglich wie möglich machen. Sie ist im Streit um Auswüchse ihrer Ausländerpolitik aus der Venstre ausgetreten und hat die rechtspopulistischen Dänemarkdemokraten gegründet, die in Umfragen heute fast dreimal so stark sind wie die Dänische Volkspartei.
Als Vorbild für andere EU-Staaten taugt Dänemark jedoch schon rein rechtlich nicht. Denn Anfang der 1990er Jahre hatte die damalige Regierung Sonderregeln ausgehandelt, nach denen Dänemark Richtlinien für Grenzkontrollen, Asyl, Einwanderung und Visa erlassen darf, die von den EU-Verträgen abweichen. Andere EU-Staaten können das nicht.
Dennoch kann das Land längst nicht alle Ausreisepflichtigen abschieben. Die Regierung in Syrien etwa kooperiere nicht, sagt Bendixen. Auch in den Sudan, den Iran, nach Gaza und Myanmar werde praktisch nicht abgeschoben. Also blieben die Menschen in Ellebæk und anderen Zentren, machten andere Asylgründe geltend oder würden nach 18 Monaten unter bestimmten Umständen sogar als geduldet eingestuft.
Darauf lassen es viele aber lieber nicht ankommen. Refugees Welcome zufolge verdrücken sich die meisten Ausreisepflichtigen, bevor sie in Ellebæk landen. 2022 habe es in Dänemark 548 Ausreisepflichtige gegeben. Davon seien 222 abgeschoben worden. Die meisten der gut 300 anderen verschwänden irgendwann aus dem System, tauchten unter oder versuchten es zum Beispiel in Deutschland.
Bendixen nennt Ellebæk Teil der dänischen Abschreckungspolitik gegen Flüchtlinge. Die funktioniere aber nur so lange, wie andere Länder das Rezept nicht übernähmen. Falls die Nachbarstaaten ähnlich vorgingen, werde die europäische Flüchtlingspolitik laufen wie das Spiel "Die Reise nach Jerusalem". "Es werden immer weniger Stühle, aber die Zahl der Flüchtlinge wird dadurch nicht geringer. Sie sind in Europa und drängen sich auf die immer weniger freien Plätze."