"Sollten wir in eine Krise reingeraten, werden wir die Gas- und die Strompreisbremse nicht mehr ziehen können. Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben", warnte der Minister im Deutschlandfunk.
Die Unions-Fraktion im Bundestag hatte in Karlsruhe gegen die Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2021 geklagt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten dann aber in den Folgejahren über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Das Verfassungsgericht erklärte das Manöver der Ampelregierung für nichtig: Das Geld steht nun nicht mehr zur Verfügung. Auch der WSF, der 2022 "auf Vorrat" mit Krediten in Höhe von 200 Milliarden Euro gefüllt worden war, könnte sich als verfassungswidrig herausstellen. Im laufenden Jahr sind bisher rund 30 Milliarden Euro zur Begrenzung der Energiepreise aus dem Fonds abgeflossen. Auch für 2024 sind noch Ausgaben in Milliardenhöhe eingeplant.
Wie die Ampel mit dem Urteil umgeht, ist nach wie vor unklar. Infrage kommen Einsparungen, Steuererhöhungen oder das erneute Ziehen der Ausnahmeklausel bei der Schuldenbremse für 2023 und/oder 2024. Letzteres scheint derzeit nach verschiedenen Äußerungen aus Koalitionskreisen die wahrscheinlichste Variante.
Eine mit dem Krieg gegen die Ukraine und dem Energiepreisschock begründete Notlage könnte die Ampel mit ihrer Mehrheit im Bundestag beschließen. Dann stünde der Weg offen, um die Fonds nicht wie bisher trickreich auf Vorrat zu füllen, sondern – dem Urteil folgend – jährlich mit dem dann tatsächlich erforderlichen Geld. Nach aktuellen Berechnungen des Bundesrechnungshofs müsste dann im laufenden Jahr die Nettokreditaufnahme von etwa 46 Milliarden Euro auf über 184 Milliarden Euro angehoben werden. Sie läge dann rund 139 Milliarden Euro über der Grenze, die ohne Notlage erlaubt wäre. 2024 müsste die Schuldenaufnahme statt bei 17 Milliarden Euro bei 65 Milliarden Euro liegen – 48 Milliarden Euro über der eigentlich zulässigen Grenze.
Dass zumindest SPD und Grüne am liebsten ohne Einsparungen auskommen wollen, zeigten Äußerungen vom Montag. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren", mahnte SPD-Parteichef Lars Klingbeil. "Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben." Nötig seien Investitionen und Planungssicherheit.
Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) wies darauf hin, dass das Urteil besonders heftige Auswirkungen für Ostdeutschland habe. Von den jetzt angekündigten Investitionen in die Industrie von 80 Milliarden Euro entfielen rund 50 Milliarden auf Ostdeutschland, sagte er. "Nach heutigem Stand sind ohne den Klima- und Transformationsfonds aber weder die Chipansiedlung in Dresden noch die Chipansiedlung in Magdeburg und der Wiederaufbau der Solarindustrie in Ostdeutschland gesichert", sagte er. Deutschland stehe in einem harten internationalen Wettbewerb. "Wenn wir diese Transformation nicht unterstützen, dann entsteht der Wohlstand woanders. Das wäre ziemlich verrückt", warnte Kellner.
Die FDP verlangt dagegen Einsparungen – auch bei den Chipansiedlungen. "Es ist immer schon falsch gewesen, Milliardensubventionen in die Ansiedlung von Chipfabriken zu stecken", sagte FDP-Haushaltsexperte Frank Schäffler. Diese Subventionen sollten nun gestrichen werden. Die geplanten Standorte der Chipfabriken in Magdeburg und Dresden seien ohnehin keine strukturschwachen Gegenden, argumentierte er. Schäffler stellte zudem die geplanten Bahninvestitionen von 12,5 Milliarden Euro infrage. Das könne man sich nicht mehr leisten, so der FDP-Politiker.
Die Linkspartei forderte unterdessen, die Lücken durch eine "Klimareichensteuer" zu decken. "Nicht die kleinen Leute, sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch. Er forderte zudem Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, ein "Sozialstaatsversprechen" abzugeben: "Nach dem Urteil aus Karlsruhe darf es keine Sozialkürzungen geben, um das 60‑Milliarden-Loch zu stopfen", verlangte der Linken-Politiker.