Vor dem Krieg diente Russland als Drehscheibe für grenzüberschreitende Ströme aller Arten von illegalen Produkten. Dazu zählten unter anderem Geld, Waffen, Drogen und Menschen in ganz Europa und darüber hinaus. Die kriminelle Unterwelt der Ukraine spielte einst eine Schlüsselrolle bei der Verteilung, sagte Galeotti bei einer Präsentation seines Berichts am Montag.
Doch seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hätten die ukrainischen Kriminellen plötzlich "ihren Patriotismus wiederentdeckt". Sie würden sich weigern, mit den Russen zusammenzuarbeiten. Die kalte Schulter der Ukraine und die Schließung der Landwege in Ländern wie Finnland hätten die russischen Ganoven gezwungen, alternative Drogenrouten zu finden.
Um die Ware aus Russland in andere Teile Europas zu bringen, wenden sich die Drogenhändler dem Bericht zufolge zunehmend Weißrussland als neuem wichtigen Transitknotenpunkt zu. Trotz der in ganz Europa eingerichteten Grenzkontrollen würden Heroin, Kokain und andere Rauschmittel über Weißrussland aus Russland herausgeschmuggelt. Gleichzeitig würden sanktionierte Güter wie Mikrochips und Luxusgüter eingeschmuggelt, erklärte Galeotti.
Die größeren kriminellen Netzwerke in Russland haben unter der neuen Dynamik gelitten, so der Russland-Beobachter. Aber kleinere Banden, die einst in die hintersten Winkel der weißrussischen Grenze verbannt waren, ernteten plötzlich die Lorbeeren. Der Krieg hat sich auch auf die Nachfrage nach Rauschgift in Russland selbst ausgewirkt.
Einige internationale Drogen wie Kokain und Heroin finden laut dem Bericht immer noch ihren Weg aus lateinamerikanischen Ländern ins Land. Doch der wirtschaftliche Druck auf die russische Bevölkerung aufgrund der Kriegssanktionen habe das Spiel verändert. Schon vor dem Krieg sei Kokain für den Großteil der russischen Gesellschaft zu teuer gewesen. Der Heroinkonsum im ganzen Land sei zudem rückläufig.
Der Mangel an erschwinglichen Drogen in Verbindung mit unzuverlässigen Handelsrouten habe zu einem sprunghaften Anstieg synthetischer Drogen in ganz Russland geführt. Synthetische Opioide sind billiger in der Herstellung und für normale Russen leichter zugänglich, erklärte Galeotti. Der Krieg habe auch den Konsum von synthetischen Amphetaminen wie Mephedron beschleunigt. Diese sind in der russischen Umgangssprache als "Salz" bekannt. Denn in Städten wie Donezk, wo viele Soldaten stationiert sind oder Urlaub machen, werde mehr konsumiert, so der Bericht.
In einem Bericht des Royal United Service Institute aus dem Mai wurde zudem festgestellt, dass einigen russischen Soldaten Amphetamine verabreicht wurden, um ihre Hemmschwelle während des Kampfes zu senken. Und eine russische Nachrichtenagentur berichtete im Oktober, dass Soldaten harte Drogen in ihre Schützengräben geliefert bekämen, um die Langeweile zu vertreiben. Die Soldaten hätten bereits damit begonnen, ihre Sucht mit nach Hause zu bringen. Dies habe zu einem Anstieg der "Fälle in Zusammengang mit Salz" in Orten wie Krasnador, Moskau, Kostroma, Kurgan und Tscheljabinsk geführt, so Galeotti.
Aus Galeottis Bericht geht auch hervor, dass der russische Innenminister Wladimir Kolokolzew sich bereits zu dem Thema geäußert hat. Auf einer Sitzung des Anti-Drogen-Komitees im Juli 2023 räumte er ein, dass die Importe synthetischer Drogen aus dem Ausland zwar zurückgegangen seien, die Produktion im Inland aber sprunghaft angestiegen sei.
Es ist ein Problem, das auch nach dem Krieg nicht verschwinden wird. "Angesichts der schrecklichen Bedingungen, denen die Soldaten in der Ukraine derzeit ausgesetzt sind – einschließlich der Gräueltaten – ist es wahrscheinlich, dass der anhaltende Krieg zu einem vergleichbaren und anhaltenden Anstieg des Drogenkonsums zur Selbstmedikation führen wird", schrieb Galeotti.