Doch was geschah am Sonntag in der viertgrößten Volkswirtschaft der EU? Etwas, was in dem Ausmaß kein Meinungsforschungsinstitut vorausgesagt hatte. "Die PP überrollte Spanien wie ein Tsunami", titelte die renommierte Zeitung "El Mundo". Die vor einem Jahr noch kriselnde konservative Volkspartei (PP) gewann fast überall. Künftig könnte sie zwölf der insgesamt 17 Comunidades Autónomas - die in etwa den deutschen Bundesländern entsprechen - regieren. Zudem gewannen die Konservativen in sieben der acht größten Städte. Das hat es seit der Gründung von PP und PSOE nach dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 noch nie gegeben.
Allerdings ist die PP vielerorts auf die Unterstützung der Rechtspopulisten von Vox angewiesen. Der Frage, inwieweit man mit der äußerst umstrittenen Gruppierung kooperieren wolle, wich PP-Chef Alberto Núñez Feijóo bisher aus. Eine sogenannte Brandmauer nach rechts wie in Deutschland gegenüber der AfD gibt es in Spanien nicht. In einigen Regionen gibt es bereits eine Zusammenarbeit PP-Vox. Vox erhielt bei den Kommunalwahlen landesweit gut sieben Prozent der Stimmen und zog in alle Regionalparlamente ein - und könnte damit künftig eine Schlüsselrolle spielen. "Wir werden nichts verschenken", warnte Parteichef Santiago Abascal mit Blick auf die Gespräche mit der PP. Fast alle Analysten sind in Spanien allerdings davon überzeugt, dass keine der beiden Parteien Hemmungen haben dürfte, die Bildung linker Regierungen zu verhindern.
"Meine Zeit kommt!", rief Alberto Núñez Feijóo in der Nacht auf Montag vor Tausenden jubelnden Anhängern auf dem Balkon des Partei-Sitzes in Madrid mit Blick auf die nächste Wahl - die nun deutlich früher kommt als erwartet. "Die Ereignisse überschlagen sich", resümierte der staatliche TV-Sender RTVE. Dabei war Spanien unter der linken Minderheitsregierung relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Die wirtschaftliche Lage ist auch wegen Milliarden-Hilfen der EU vergleichsweise stabil. Aber die Arbeitslosigkeit ist im europäischen Vergleich immer noch hoch. Auch die Inflation, die Folgen des Ukraine-Kriegs und mehrere Affären trieben Sánchez zunehmend in die Enge. Als Fiasko erwies sich im "Superwahljahr" zum Beispiel ein neues Sexualstrafrecht. Es sollte das Vorzeigeprojekt der Regierung sein. Doch plötzlich öffnete es Dutzenden Sexualverbrechern vorzeitig die Zellentüren - und führte auch innerhalb der ersten Koalitionsregierung seit den 1930er Jahren zu einem heftigen Streit. Das bot der Opposition reichlich Munition.
Wie sieht nun die politische Landschaft in Spanien vor der Neuwahl aus? In Madrid gab es einen doppelten PP-Triumph. Die regionale Regierungschefin Isabel Díaz Ayuso und der regierende PP-Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida errangen erstmals absolute Mehrheiten. Man sagt, Madrid sei ein Gradmesser für die landesweite Stimmung. "Das Ende des "Sanchismo" wurde eingeleitet!", verkündete Martínez-Almeida an der Seite von Ayuso und Feijoó. Alle drei hüpften vor Freude.
Nicht nur in Madrid, auch in anderem Comunidades Autónomas wie Valencia, Aragonien, La Rioja sowie auf den Balearen mit der Urlaubsinsel Mallorca gewann die PP mit teils großem Vorsprung. Bei den Kommunalwahlen errang die PP landesweit circa 31,5 Prozent aller Stimmen - 9,3 Prozentpunkte mehr als 2019. Die PSOE verlor einen guten Punkt und musste sich mit gut 28 Prozent begnügen.
Sánchez teilte zunächst nicht mit, ob er wieder kandidieren wolle. Sein größtes Problem: Die Parteien links von der PSOE, die bisher als Koalitionspartner oder Unterstützer fungierten, sind tief zerstritten. Der linksalternative Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) verlor am Sonntag einen Großteil seiner Wähler. "Eine Tragödie für die Progressisten in Spanien", räumte UP-Sprecher Pablo Echenique am Montag im spanischen Fernsehen unumwunden ein.
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