Mit den Preisbremsen sollten die stark gestiegenen Energiepreise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine abgefedert werden. Die Finanzierung erfolgte über den mit bis zu 200 Milliarden Euro ausgestatteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).
Die Karlsruher Richter haben solche Sondervermögen neben dem regulären Haushalt aber für unzulässig erklärt. Der WSF stehe damit nicht mehr zur Verfügung, sagte Lindner im Interview der Woche des Deutschlandfunks. "Zum 31.12. dieses Jahres wird der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds geschlossen. Es werden daraus keine Auszahlungen mehr erfolgen."
Auch die Senkung der Netzentgelte sollte eigentlich über den WSF finanziert werden. Dafür hatte die Bundesregierung 5,5 Milliarden Euro eingeplant.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte eine schnelle Klärung der Finanzierung der Hilfszahlungen für Bürger und Unternehmen an. Nach der Entscheidung zur erneuten Aussetzung der Schuldenbremse in diesem Jahr werde die Regierung auch den Haushalt 2024 "nicht auf die lange Bank" schieben, sagte der Kanzler. Die "wichtigste Nachricht" der Karlsruher Entscheidung sei, dass Hilfen in besonderen Notlagen wie in der Corona-Pandemie, nach der Ahrtal-Flut oder wegen der hohen Energiepreise "weiterhin möglich sind".
Lindner ließ offen, ob der Haushalt 2024 noch in diesem Jahr beschlossen werden kann. Der Finanzminister sprach von einem sehr "ambitionierten Fahrplan", bei dem einiges auf die "Ampel" zukomme. Beispielsweise müssten Zinsausgaben, die bislang durch den WSF gezahlt wurden, künftig aus dem Bundeshaushalt geleistet werden. Linder sprach in diesem Zusammenhang von einem zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag.
Gleichzeitig kündigte der Minister strukturelle Entscheidungen an. Finanzhilfen an Industrieunternehmen müssten durch eine Reduzierung von Ausgaben an anderer Stelle kompensiert werden. Ausdrücklich nannte Lindner an dieser Stelle die Sozialausgaben.
Mit Blick auf 2023 hatte Lindner am Donnerstag angekündigt, dass die Schuldenbremse erneut ausgesetzt wird. Denn durch die Vorgaben aus Karlsruhe müssen nach Angaben aus dem Bundesfinanzministerium für dieses Jahr 40 bis 45 Milliarden Euro Schulden aus den Sondervermögen in den regulären Haushalt geschrieben werden.
Den dazu nötigen Nachtragshaushalt will das Bundeskabinett bis Anfang kommender Woche um Umlaufverfahren verabschieden. Am Freitag geht er dann erstmals in den Bundestag. Davor will sich Scholz am Dienstag im Parlament in einer Regierungserklärung zu den Folgen des Karlsruher Urteils äußern.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit zeigte sich überzeugt, dass der Nachtragshaushalt 2023 "pünktlich vor Weihnachten" verabschiedet werden könne. Er verwies dabei darauf, dass der Bundestag mit einfacher Mehrheit zur Aussetzung der Schuldenbremse eine Notlage feststellen muss. Worin diese genau bestehen soll, blieb aber weiter offen.