Aus der Provinz ins Herz der Macht, so hatte er sich das vorgestellt, aber als Feijóo am Dienstag vor das spanische Parlament trat, wusste er schon, dass er dessen Vertrauen nicht gewinnen würde. Am Mittwochnachmittag wurde abgestimmt. Feijóo bekam 172 Stimmen, gegen ihn votierten 178 Abgeordnete. Der Präsident der konservativen Volkspartei (PP) wird so schnell nicht spanischer Regierungschef. Nun ist es am amtierenden Ministerpräsidenten, dem Sozialisten Pedro Sánchez, eine Parlamentsmehrheit zusammenzusuchen. Zwei Monate hat er dafür Zeit. Wenn auch er scheitert, gibt es Neuwahlen.
Aus zwei Gründen hatte König Felipe zunächst Feijóo und nicht Sánchez damit beauftragt, eine Regierungsbildung zu versuchen. Einerseits bekam Feijóos PP bei den Parlamentswahlen Ende Juli mit 33 Prozent die meisten der abgegebenen Stimmen und stellt mit 137 Abgeordneten auch die stärkste Fraktion im Parlament. Andererseits schickten die Regionalparteien Junts per Catalunya und ERC beide aus Katalonien, Bildu aus dem Baskenland und BNG aus Galicien niemandem zum Gespräch mit dem König und konnten ihm so auch nicht erklären, dass sie möglicherweise für Pedro Sánchez, aber bestimmt nicht für Alberto Núñez Feijóo stimmen würden. Felipe blieb kaum etwas anderes übrig, als sich für Feijóo zu entscheiden.
Feijóo aber hatte keine Chance. Die Rechtspartei Vox unterstützt ihn und zwei weitere regionale Kleinstparteien, aber das reicht nicht für die Mehrheit. Sánchez kann dagegen auf die Linkspartei Sumar und auf die meisten der Regionalparteien zählen, darunter möglicherweise auch auf Junts per Catalunya, die Partei des ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont. Sánchez braucht ihn und umwirbt ihn, auch wenn er vor ein paar Jahren noch versprach, Puigdemont aus seinem belgischen Exil nach Spanien zu holen und vor Gericht zu stellen obwohl er dafür als Politiker nicht die Kompetenz besitzt.
Jetzt bestimmt Puigdemont auf einmal die politische Agenda: Spanien diskutiert über Amnestie und Selbstbestimmung, als wenn die Zukunft des Landes davon abhinge. Vor allem aber hängt Sánchez‘ Zukunft davon ab. Er muss den katalanischen Separatisten entgegenkommen und ist offenbar willens, das zu tun. Im Gegensatz zu Feijóo.
Am Sonntag versammelte die PP rund 40.000 Demonstranten in Madrid, um gegen eine mögliche Amnestie für die Straftaten rund um das illegale katalanische Unabhängigkeitsreferendum 2017 zu demonstrieren. Am Dienstag sprach Feijóo vor dem Parlament ausgiebig über die Amnestie und warum sie nicht mit der spanischen Verfassung vereinbar sei. Es klang ganz so, als hielte er seine erste Rede vor dem spanischen Parlament nicht als Anwärter auf den Posten des Regierungschefs, sondern als Oppositionsführer.
Die Gegenrede hielt dann nicht Sánchez, sondern ein sozialistischer Hinterbänkler, was so elegant war, wie einen Leutnant zu Verhandlungen mit einem gegnerischen General zu schicken. Eleganz ist nicht die Stärke von Sánchez. Am Freitag wird sich Feijóo dem Parlament ein zweites Mal zur Wahl stellen, dann reichte ihm statt der absoluten eine einfache Mehrheit. Auch die wird er nicht bekommen. Danach kommt die Stunde von Sánchez.
ag/pcl