Innovative Konzepte wie "Housing First" könnten nur ausgeweitet werden, wenn es auch Wohnungen gebe, erklärte Nagel. Es gebe aber auch viel Potenzial, um die Kommunen präventiv zu unterstützen. Beispielhaft dafür stehe die Landesinitiative "Endlich ein Zuhause" in Nordrhein-Westfalen.
Dort werden die Kommunen vom Land mit Fördermitteln und fachlicher Expertise unterstützt. "Sachsen kann sich nicht auf die kommunale Verantwortung zurückziehen, es braucht aus unserer Sicht Impulse und Unterstützung, damit wir dem Ziel der EU, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, nahe kommen."
"Housing First" wurde in den 1990er Jahren in den USA entwickelt. Obdachlose sollen damit schnell und unkompliziert eine Wohnung mit einem eigenen Mietvertrag bekommen. Vorrang hat dabei der Neuanfang in den eigenen vier Wänden. Das Sozialamt vermittelt Kontakte zum Vermieter und steht den künftigen Mietern mit Rat und Tat zur Seite. Bei Schwierigkeiten können sie ein individuelles Betreuungsangebot des Sozialamts in Anspruch nehmen.
Nagel berief sich auf den Wohnungslosenbericht der Bundesregierung. Er weise für Sachsen 1665 Menschen aus, die Ende Dezember 2022 in Notunterkünften lebten. "Diese Zahl umfasst nicht die Menschen, die auf der Straße leben oder bei Bekannten und Verwandten schlafen.
Die tatsächliche Zahl der Wohnungslosen dürfte daher deutlich höher liegen." Die Diakonie erfasse in ihrem aktuellen Lebenslagenbericht 3018 Menschen in Sachsen in Wohnungsnot. Das betreffe allein jene Menschen, die Anlaufstellen der Diakonie aufsuchten.
"Die Stadt Leipzig bringt im täglichen Durchschnitt knapp 300 Menschen allein in Notunterkünften unter, einen Bruchteil derer, die wohnungslos sind", berichtete Nagel aus ihrer Heimatstadt. Wohnungslosigkeit sei kein Problem individuellen Versagens. "Niemand lebt freiwillig in Not und Elend.
Armut ist ursächlich, weiterhin der Verlust von Arbeit oder schlecht bezahlte Arbeit, steigende Mieten und Lebenshaltungskosten, Erkrankungen, Verschuldung und Schicksalsschläge."
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