Im Gesamtjahr 2022 ersuchten rund 966.000 Menschen Asyl in der EU, der höchste Wert seit 2016. Zur Einordnung ist aber genauso wichtig: Nach Angaben der EU-Kommission lag 2022 der Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung bei 1,5 Prozent.
Deutschland ist der EU-Staat mit den meisten Asylanträgen. Nach Daten der Europäischen Asyl-Agentur wurden im ersten Halbjahr in Deutschland mit Abstand die meisten Asylanträge gestellt: Es waren 30 Prozent aller Anträge - und damit fast doppelt so viel wie in den nächstplatzierten Staaten Spanien (17 Prozent) und Frankreich (16 Prozent). Dahinter rangierte Österreich, dann Italien. Im Vergleich zu Bevölkerungszahl sieht es aber anders aus: Während in der Bundesrepublik im Jahr 2022 auf 10.000 Einwohner 29 Anträge kamen, lag das Verhältnis in acht EU-Staaten teils weit darüber: etwa in Zypern (241) und Österreich (123).
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten Ende 2022 etwa 3,1 Millionen Schutzsuchende in Deutschland, wobei der Großteil (2,25 Millionen) über einen anerkannten Schutzstatus verfügte. Die Gesamtzahl stieg gegenüber dem Vorjahr um 1,14 Millionen Personen, was den höchsten Zuwachs innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Statistik 2007 darstellt. Zurückzuführen ist das vor allem auf den russischen Angriffskrieg, weswegen 2022 rund 1,01 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer Schutz in Deutschland suchten.
Neben Ukrainern waren Ende 2022 die meisten Schutzsuchenden syrische (674.000 Personen), afghanische (286.000), irakische (211.000) oder türkische (101.000) Staatsangehörige. Diese fünf Staatsangehörigkeiten stellen fast drei Viertel der Schutzsuchenden. Zu ihnen zählt das Statistische Bundesamt alle Ausländer, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Dazu zählen auch Asylbewerber im Verfahren und abgelehnte Asylbewerber.
Zuletzt ist die Zahl der Neuankömmlinge gestiegen. Zwischen Januar und August 2023 stellten dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zufolge hierzulande 220.116 Menschen einen Antrag auf Asyl, die meisten aus Syrien und Afghanistan. In etwa neun von zehn Fällen (204.461) waren es Erstanträge nach Neuankunft oder Geburt. Im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr (Januar bis August) ist die Zahl der Asylanträge 2023 um mehr als 77 Prozent gestiegen. 2015 und 2016, als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, lagen die Werte für das Gesamtjahr bei 476.649 und 745.545 Anträgen.
Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine müssen keine Anträge auf Asyl stellen und sind daher in der Asyl-Statistik nicht enthalten. Geflohene Menschen aus dem osteuropäischen Nicht-EU-Staat müssen also zusätzlich in Deutschland untergebracht und versorgt werden. Seit dem russischen Überfall auf das Land im Februar 2022 ist ihre Zahl sprunghaft angestiegen. Ende Juli 2023 halten sich hierzulande nach Eurostat-Angaben 1,15 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf.
Zwischen Januar und August 2023 hat das Bamf über gut 175.000 Asylanträge entschieden. Mehr als 91.000 Personen wurde Schutz zugesprochen, was einer Gesamtschutzquote von rund 52 Prozent entspricht. Aussagekräftiger ist allerdings die bereinigte Schutzquote. Denn viele Anträge werden ohne inhaltliche Prüfung entschieden. Das ist etwa der Fall, wenn ein Asylantrag zurückgezogen wurde oder ein anderes EU-Land zuständig ist. Zieht man von den bearbeiteten Fällen die "formellen Entscheidungen" ab, kommt man für die Zeit zwischen Januar und August auf eine bereinigte Schutzquote von 71 Prozent.
Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss sich zunächst registrieren. Meistens passiert das in der nächstgelegenen Erstaufnahmeeinrichtung im jeweiligen Bundesland. Verteilt auf die Länder wird nach dem "Königsteiner Schlüssel". Nach diesem sollte das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen mit reichlich 21 Prozent die meisten der schutzsuchenden Personen aufnehmen, gefolgt von Bayern (15,6 Prozent) und Baden-Württemberg (etwa 13 Prozent).
Gemessen an der Bevölkerung der Bundesländer lebten Ende 2022 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die meisten Schutzsuchenden in den Stadtstaaten Bremen (6,3 Prozent der Bevölkerung), Hamburg (4,8) und Berlin (4,8). Am niedrigsten waren die Anteile in Bayern (2,8), Brandenburg (2,8) und Mecklenburg-Vorpommern (2,9). Bei negativem Asylbescheid droht die Abschiebung. Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 insgesamt 304.308 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig, davon 248.145 mit einer Duldung. Neben abgelehnten Asylbewerbern können auch Touristen, Arbeitnehmer und ausländische Studenten ausreisepflichtig werden, wenn ihr Visum beziehungsweise ihre Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist.
Geduldete können aus bestimmten Gründen nicht abgeschoben werden, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben, krank sind oder ein minderjähriges Kind haben, das eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Duldung ist immer befristet. Knapp 13.000 ausreisepflichtige Personen wurden nach Angaben der Bundesregierung 2022 aus Deutschland abgeschoben. Gegen Entscheidungen des Bamf können auch Rechtsmittel eingelegt werden. 2022 entschieden Gerichte in 96.495 Fällen. Nachträglich wurden damit Asylbescheide positiv entschieden (461 Mal), Flüchtlingsschutz (5396) oder subsidiärer Schutz gewährt (1353) und ein Abschiebungsverbot (9385) erteilt.
In Deutschland ist das Recht auf Asyl im Grundgesetz verankert: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", heißt es in Artikel 16a. Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländerinnen und Ausländern zusteht. Tatsächlich aber erhalten die meisten Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder einen eingeschränkten (subsidiären) Schutz. Das gilt für Menschen, denen in der Heimat etwa Folter, Todesstrafe oder willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt drohen.
Ausschlusskriterien für eine Schutzberechtigung sind Verbrechen und schwere Straftaten, oder wenn die Person eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands darstellt. Kein Recht auf Asyl gibt es meist, wenn der Ausländer aus einem der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten stammt - etwa aus der EU, Westbalkanstaaten, Ghana und Senegal. Auch wenn bereits ein Schutz durch einen sicheren Drittstaat (EU, Norwegen, Schweiz) besteht, soll in Deutschland kein Asyl mehr beantragt werden können.
Ob Schutzsuchende arbeiten dürfen und Sozialleistungen erhalten, hängt von ihrem jeweiligen Status ab. Asylberechtigte, also anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte, dürfen grundsätzlich arbeiten. Sie haben damit einen Anspruch auf Bürgergeld in Höhe von derzeit 502 Euro (Alleinstehende). Asylbewerber und Geduldete benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis der Ausländerbehörde. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) muss einer Beschäftigung in der Regel zustimmen.
Ein Asylverfahren kann sich über eine längere Zeit hinziehen - so lange stehen andere Sozialleistungen zu. Diese werden im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Alleinstehende bekommen demnach insgesamt 410 Euro im Monat. Ausgenommen von dieser gesetzlichen Regelung für Asylsuchende sind Ukrainerinnen und Ukrainer, die wegen des russischen Angriffskriegs geflohen sind. Als anerkannte Kriegsflüchtlinge sind sie in Bezug auf soziale Leistungen vom ersten Tag an mit deutschen Staatsbürgern gleichgestellt und können Bürgergeld beantragen.
Nicht nur Deutschland versorgt Hunderttausende Ukrainer, sondern auch näher gelegene Nachbarn des angegriffenen Staates. In Polen waren Ende Juli 2023 reichlich 970.000 Nicht-EU-Bürger aus der Ukraine registriert, in Tschechien fast 370.000. Setzt man die Zahlen in Relation zur jeweiligen Bevölkerung, dann gab es die höchsten Quoten in Tschechien (33,0 Flüchtlinge aus der Ukraine auf 1000 Einwohner), Polen (26,4), Estland (25,9), Bulgarien (25,3), Litauen (25,0) und Lettland (22,6). Für Deutschland lag der Wert bei 13,6.
Vor allem über Tschechien und Polen, aber auch auf anderen Routen kommen seit einigen Monaten wieder mehr Asylbewerber nach Deutschland. Zwischen Januar und Ende August zählte die Bundespolizei mehr als 70.000 unerlaubte Einreisen, im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es knapp 45.000. Über Osteuropa verläuft vor allem die Westbalkan-Fluchtroute. Dort wurden im Jahr 2022 den EU-Grenzschützern von Frontex 145.600 irreguläre Grenzübertritte gemeldet, 136 Prozent mehr als 2021.
Auch auf dem Mittelmeer werden vermehrt Flüchtlingsbewegungen wahrgenommen. Zwischen Januar und August 2023 erreichten nach EU-Angaben mehr als 160.000 Menschen über das Mittelmeer das sichere Europa. Der UN-Flüchtlingsorganisation IOM zufolge kamen aber in diesem Zeitraum 2741 Menschen ums Leben oder sind vermisst. Hauptziel: Italien. Seit Beginn des Jahres zählte das dortige Innenministerium etwa 130.000 Migranten über den Seeweg - annähernd doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
dp/fa