Im Januar war mit einer Erhöhung der Regelsätze um 53 auf nun 502 Euro für Alleinstehende ohne Kind der erste Reformschritt umgesetzt worden. Die Bezeichnung "Bürgergeld" sollte außerdem den negativ besetzten Begriff "Hartz IV" ablösen, der sich für die Grundsicherung durchgesetzt hatte. Die Neuregelungen des zweiten Reformschritts im Überblick:
70 Prozent der 1,7 Millionen Arbeitslosen in der Grundsicherung haben keinen formalen Berufsabschluss. Entscheiden sich Betroffene für eine Weiterbildung, die zu einem Berufsabschluss führt, wird dafür jetzt ein sogenanntes Weiterbildungsgeld von 150 Euro pro Monat zusätzlich zum Bürgergeld gezahlt. Für bestandene und nachgewiesene Zwischen- und Abschlussprüfungen soll es daneben auch weiterhin Weiterbildungsprämien in Höhe von bis zu 1500 Euro geben - ohne die Reform wäre diese Regelung ausgelaufen. Wer an kurzfristigen Weiterbildungen teilnimmt, die nicht zu einem Berufsabschluss führen, kann einen "Bürgergeldbonus" von 75 Euro pro Monat bekommen.
Die Bürgergeld-Reform soll auch das Verhältnis zwischen denjenigen, die Leistungen bekommen, und den für sie zuständigen Sachbearbeitern auf eine neue Stufe stellen. Bei der Bundesagentur für Arbeit ist von "partnerschaftlicher und verbindlicher Zusammenarbeit" die Rede. Künftig sollen gemeinsam in einfacher Sprache nächste Schritte und Ziele bis zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt in einem übersichtlichen "Kooperationsplan" festgehalten werden. Dieser soll die bisher übliche und für viele wohl eher unverständliche mehrseitige "Eingliederungsvereinbarung" ablösen, die in Amtsdeutsch Rechte und Pflichten beider Seiten auflistet.
Um Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu erhöhen, sollen Freibeträge angehoben werden. Wenn Bürgergeld-Bezieher zusätzlich Geld verdienen, wird dieses Einkommen auf das Bürgergeld angerechnet. Bisher blieben bei einem Einkommen von 520 bis 1000 Euro 20 Prozent davon anrechnungsfrei, künftig sollen es 30 Prozent sein. "Das bedeutet bis zu 48 Euro mehr im Geldbeutel als bisher", heißt es beim Bundesarbeitsministerium. Einkommen aus einem Schülerjob, einer Berufsausbildung oder einem Freiwilligendienst soll bis 520 Euro gar nicht mehr auf das Bürgergeld angerechnet werden.
Neben der Anhebung der Regelsätze sind seit Januar auch andere Bürgergeld-Regeln bereits in Kraft, zum Beispiel gilt kein sogenannter Vermittlungsvorrang mehr, also die Vorgabe, dass Betroffene vor allem schnell in Arbeit vermittelt werden. Statt um kurzfristige Hilfsjobs soll es eher um Weiterbildung und langfristige Arbeitsmöglichkeiten gehen. Außerdem gilt seit Jahresbeginn eine sogenannte Karenzzeit im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs: Betroffene müssen sich keine kleinere Wohnung suchen und auch nicht ihr Erspartes anzapfen.
Vor allem von der Union hatte es vor dem Inkrafttreten der Bürgergeld-Reform immer wieder Kritik gegeben. Vertreter von CDU und CSU hatten betont, es finde damit eine Abkehr vom Prinzip "Fördern und Fordern" statt. Es wurde auch der Vorwurf laut, Bürgergeld-Empfänger seien unter Umständen besser gestellt als Menschen, die arbeiten. Der Paritätische Wohlfahrtsverband dagegen beklagte, die Regelsätze seien auch nach der Erhöhung zum Jahreswechsel "in keiner Weise bedarfsdeckend". Zudem sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider, es bleibe weiterhin "bei einem misanthropischen Sanktionsregime". Die neuen Freigrenzen und das Weiterbildungsgeld, die nun in Kraft sind, begrüßte er aber.
AfD-Fraktionsvize Norbert Kleinwächter kritisierte hingegen, das Weiterbildungsgeld setze vollkommen falsche Anreize. "Beschäftigte, die sich oft auf eigene Kosten in ihrer Freizeit weiterqualifizieren, werden damit deutlich schlechter gestellt als Bürgergeldempfänger", , sagte er in Berlin. Diese qualifizierten sich auf Steuerzahlerkosten, erhielten zusätzlich noch eine Prämie und bekämen darüber hinaus Miete und Energiekosten bezahlt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bezogen im Mai in Deutschland knapp 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld-Leistungen. Das ist etwa jeder 15. Einwohner. Dazu zählen neben rund 1,7 Millionen Arbeitslosen auch Kinder in sogenannten Bedarfsgemeinschaften oder Aufstocker, die sehr wenig verdienen und zusätzlich auf Bürgergeld angewiesen sind.
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