Zudem machte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 eine Reform des Bundespolizeigesetzes notwendig. Die Karlsruher Richter mahnten Änderungen am Bundeskriminalamt-Gesetz an. Analoge Regelungen zu den beanstandeten Paragrafen aus dem BKA-Gesetz finden sich allerdings auch im Bundespolizeigesetz.
Im Jahr 2020 hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) deshalb eine Reform des Gesetzes auf den Weg gebracht. Im Jahr darauf einigte sich die Große Koalition im Bundestag auf einen Gesetzentwurf. Dieser Entwurf beinhaltete auch Befugnisse zur Nutzung sogenannter "Staatstrojaner" (Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Kritik daran äußerte nicht nur der Bundesdatenschutzbeauftragte. Das Gesetz scheiterte im Juni 2021 schließlich im Bundesrat. Drei Monate später wurde ein neuer Bundestag gewählt.
Die Ampel-Koalition hat sich in der Folge zum Ziel gesetzt, das Bundespolizeigesetz so zu reformieren, dass die neuen Bedürfnisse der Bundespolizei in einer veränderten Welt berücksichtigt, Bürgerrechte aber gleichzeitig besser beschützt werden als durch den GroKo-Entwurf.
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht etwa erweiterte Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung und zur Erhebung von Telekommunikations-Verkehrsdaten vor. Insbesondere sollen die Kompetenzen der Bundespolizei im Kampf gegen Schleuser gestärkt werden. Die Bundespolizei soll außerdem neue Befugnisse zum Einsatz eigener Drohnen sowie zur Abwehr von Drohnen und "unbemannten Fahrzeugsystemen" bekommen.
Bundespolizisten sollen künftig mit einer individuellen Ziffernfolge an der Uniform gekennzeichnet werden – damit sie im Fall eines vorgeworfenen Fehlverhaltens identifizierbar sind. Eine solche Kennzeichnungspflicht gibt es bereits bei der Polizei in mehreren Bundesländern. Wer von der Bundespolizei kontrolliert wird, soll sich außerdem "Kontrollquittungen" ausstellen lassen können. Darauf soll vermerkt werden, wann, wo und aus welchem Grund eine Person kontrolliert wurde. Damit sollen Betroffene von Kontrollen – etwa in Fällen, die sie als rassistisch motiviert wahrnehmen – besser juristisch gegen die polizeiliche Maßnahme vorgehen können.
"Wir haben heute die Reform eines der wichtigsten Sicherheitsgesetze unseres Landes auf den Weg gebracht und ein weiteres Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch laut einer Mitteilung ihres Ministeriums. Die Reform bringe das Bundespolizeigesetz auf die Höhe der Zeit. "Mit neuen Befugnissen geben wir der Bundespolizei alles Notwendige an die Hand, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können. Darüber hinaus stärken wir Bürgernähe und Transparenz", so die Ministerin.
In der Bundespolizei gibt es große Vorbehalte gegen den aktuellen Gesetzentwurf. In der Führung der Behörde sei man gar erbost über den Entwurf – und mit der Arbeit von Faeser an dieser Stelle unzufrieden, heißt es. Unter anderem würden die fehlenden Befugnisse zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung und fehlende Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz durch die Bundespolizei beklagt.
Kritik wurde jedoch auch aus anderer Richtung geäußert. Die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, begrüßte die Reform zwar grundsätzlich, warnte jedoch vor mehr Diskriminierung durch das neue Gesetz. "Das Gesetz ist an wichtigen Stellen allein auf die Bedürfnisse und den Schutz der Polizei zugeschnitten", sagte Ataman laut einer Pressemitteilung. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Nichtdiskriminierung komme zu kurz.
Das Gesetz schütze Bürger nicht ausreichend vor "Racial Profiling", also Kontrollen allein aufgrund äußerer Merkmale wie der Hautfarbe. Ataman kritisierte auch die Regelungen zum Einsatz von Bodycams durch die Bundespolizei. Die Polizisten könnten demnach nach eigenem Ermessen und lediglich zu ihrem eigenen Schutz entscheiden, ob sie ihre Körperkamera einschalten, oder nicht. Ataman fordert dagegen, dass auch Bürgerinnen und Bürger das Einschalten der Kameras einfordern dürfen.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) – eine Nichtregierungsorganisation, die gerade vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das reformierte BKA-Gesetz vorgeht – kündigte bereits an, auch eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Bundespolizeigesetz prüfen zu wollen, sollte es in der jetzigen Form verabschiedet werden.
"Statt effektiv gegen rassistische Diskriminierung bei verdachtsunabhängigen Kontrollen vorzugehen, weitet die Bundesregierung polizeiliche Befugnisse immer weiter aus", sagte David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der GFF. "Meldeauflagen und Präventivgewahrsam zur Verhinderung der Ausreise sowie die Überwachung von E-Mails und Telefonaten greifen tief in die Grundrechte ein", bemängelte er. Die gesetzlichen Hürden seien zudem viel zu niedrig und unbestimmt. Damit werde riskiert, "dass auch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zum Ziel von solchen polizeilichen Maßnahmen werden."
Am Freitag, dem 22. Dezember soll der Gesetzentwurf zunächst dem Bundesrat zugeleitet werden. Dem Zeitplan des Bundesinnenministeriums zufolge befasst sich der Bundesrat dann voraussichtlich am 2. Februar mit dem Gesetzentwurf, bevor das Bundeskabinett anschließend am 21. Februar eine Gegenäußerung zur Position des Bundesrates beschließen will. Im März soll der Gesetzentwurf dann in den Bundestag eingebracht werden. Falls der Bundestag das Gesetz wie im Zeitplan des Ministeriums vorgesehen Mitte Mai verabschiedet und der Bundesrat dem Gesetz im Juni zustimmt, könnte das neue Bundespolizeigesetz schließlich im Juli 2024 in Kraft treten. Die Zustimmung durch den Bundesrat ist jedoch alles andere als sicher.