Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Kiew erneut für die Freigabe westlicher Waffen mit großer Reichweite geworben. "Es ist wichtig, dass die ukrainischen Argumente gehört werden", teilte Selenskyj nach Gesprächen mit Blinken und dem britischen Außenminister David Lammy mit. Seit Monaten fordert die Ukraine, dass die westlichen Verbündeten die bisher geltenden Einschränkungen für reichweitenstarke Waffen aufheben, um militärische Ziele im russischen Hinterland angreifen zu können.
Blinken äußerte sich öffentlich zunächst nicht konkret zu der Frage, ob die USA die Beschränkungen für die Langstreckenwaffen aufheben werden. Er betonte jedoch, dass die USA alles tun werden, um der Ukraine zum Sieg und zu einem "gerechten und dauerhaften Frieden" zu verhelfen. "Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt", sagte Blinken bei einer Pressekonferenz mit Lammy. Es wird erwartet, dass das Thema der Langstreckenwaffen auch bei einem Treffen zwischen dem britischen Premierminister Keir Starmer und US-Präsident Joe Biden am Freitag in Washington besprochen wird.
Selenskyj hatte bereits Ende August angekündigt, im September seinen Plan für einen Sieg der Ukraine in Washington vorstellen zu wollen. Es wird spekuliert, dass Selenskyj dies mit einem Besuch bei der UN-Generalversammlung in New York verbinden könnte.
Blinken kündigte während des Treffens in Kiew neue US-Hilfen im Umfang von mehr als 700 Millionen US-Dollar an. Für die Reparatur von Energie-Infrastruktur und Stromanlagen sollen 325 Millionen US-Dollar bereitgestellt werden, während 290 Millionen US-Dollar in humanitäre Hilfe, unter anderem für Trinkwasser und Medizin, fließen sollen. Weitere 102 Millionen US-Dollar sind für die Minenräumung vorgesehen.
Blinken und Lammy verurteilten zudem die mutmaßliche Bereitstellung ballistischer Kurzstreckenraketen durch den Iran an Russland, was der Iran bestreitet. Beide Außenminister warnten vor einer gefährlichen Eskalation des Krieges, da diese Waffen die russische Aggression gegen die Ukraine verstärken könnten. Die Ukraine sieht in den Berichten über iranische Raketenlieferungen einen weiteren Grund, die westlichen Beschränkungen für Langstreckenwaffen aufzuheben.
Der Kreml wies die Vorwürfe, Russland habe iranische Raketen erhalten, entschieden zurück. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, die russischen Streitkräfte hätten ausreichend eigene Waffen, um den Krieg fortzusetzen. Zudem machte er deutlich, dass Russland davon ausgeht, dass die Entscheidung zur Freigabe westlicher Langstreckenwaffen für die Ukraine bereits gefallen sei und die Öffentlichkeit lediglich darauf vorbereitet werde. Peskow warnte, dass sich der Westen durch diese Entscheidung noch tiefer in den Konflikt verstricke, und kündigte eine entsprechende Reaktion Moskaus an, ohne jedoch Details zu nennen.
Selenskyj betonte nach dem Gespräch mit Blinken und Lammy erneut, dass die Ukraine weder ihr Territorium noch ihre Bevölkerung aufgeben werde. Die Krim, die 2014 von Russland annektiert wurde, bleibt ein zentrales Thema. Beim Treffen der sogenannten Krim-Plattform in Kiew schloss Selenskyj eine Abtretung der Halbinsel kategorisch aus. Er rief die Teilnehmer dazu auf, bei der Rückholung von Ukrainern in russischer Gefangenschaft zu helfen, insbesondere die muslimische Minderheit der Krimtataren, die besonders verfolgt werde.
An der Krim-Plattform nahmen mehr als 60 Vertreter internationaler Staaten teil, darunter der litauische Präsident Gitanas Nauseda und der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic. Der Großteil der Redner, darunter auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, beteiligte sich per Videobotschaft.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederholte seine Forderung nach der Rückgabe der Krim an die Ukraine und betonte, dass dies eine Forderung des Völkerrechts sei. Die Unterstützung der Türkei für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine sei unerschütterlich. Kiew nutzt die Krim-Plattform seit 2021, um die internationale Aufmerksamkeit auf die Situation der Halbinsel zu lenken, die Russland seit 2014 kontrolliert.
Die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland bleiben hoch, und die Forderung nach westlichen Langstreckenwaffen gewinnt an Dringlichkeit. Während die Ukraine ihre Position mit Unterstützung ihrer westlichen Partner stärkt, lehnt Russland jegliche Friedensverhandlungen ohne eigene Bedingungen ab. Die nächsten Wochen könnten entscheidend sein, besonders im Hinblick auf den geplanten Besuch Selenskyjs in den USA und die anstehenden Gespräche zwischen westlichen Staatsoberhäuptern.