Scharf kritisierte Werneke den Umgang der Regierung mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Ampel versuche, die hohen Kosten für den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in den normalen Bundeshaushalt zu pressen. Die Gegenfinanzierung sei sachfremd und teils absurd - etwa die Kürzungen der Subventionen für Bauern, die Milliardenforderungen an die Bundesagentur für Arbeit, die Kürzungen bei den Rentenzuschüssen sowie bei Bundesmitteln für den ÖPNV in den Ländern. Eine Hauptursachen der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Ampel aber sei die jüngste Erhöhung des CO2-Preises ohne Ausgleich durch ein soziales Klimageld. "Verteilungskonflikte werden zunehmen, und das Ganze ist ein tägliches Fest für die AfD", mahnte Werneke.
"Sehnsüchtig" und "mit einer gewissen Ungeduld" warte Verdi hingegen auf versprochene Reformen: Werneke nannte die versprochenen Pläne für mehr Tarifbindung und Tarifverträge, aber auch die angekündigte Renten- oder Krankenhaus-Reform. Ohne Reform der Schuldenbremse oder die Schaffung eines Sondervermögens für die Transformation könne der Staat die nötigen Milliardeninvestitionen in Wirtschaft und Gesellschaft nicht stemmen, sagte Werneke.
In eigener Sache gab sich Werneke zufrieden: 2023 sei das erfolgreichste Verdi-Jahr seit der Gründung der Gewerkschaft 2001 gewesen. Rund 193.000 neue Mitglieder seien 2023 bei Verdi dazugekommen. 152.000 hätten aus der Datenbank der Mitglieder gestrichen werden müssen - 118.000 wegen Austritts, ansonsten wegen Tods oder Wechsel zu anderen Gewerkschaften oder Kündigungen aufgrund fehlender Beiträge. Die Zahl der Mitglieder stieg um 2,16 Prozent auf knapp 1,9 Millionen. Regional sei der prozentuale Zuwachs besonders groß in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit 3,23 Prozent gewesen. Bei den Unter-27-Jährigen habe es ein Plus von 15,8 Prozent gegeben. Eine langfristige Trendwende hin zu steigenden Mitgliederzahlen sei dies aber nicht, räumte Werneke ein. Denn viele bei Verdi gehörten zur Generation der Babyboomer vor der Rente an, andere kündigten bei Arbeitgeberwechseln. Bis 2016 zählte Verdi über 2 Millionen Mitglieder.
Tarifpolitisch werde nach den Abschlüssen für den öffentlichen Dienst der Länder, der Deutschen Post und in vielen anderen Tarifbereichen mit teils massiven Warnstreiks auch 2024 "kein langweiliges Jahr", kündigte Wernekes Stellvertreterin Andrea Kocsis an. Generell gelte: "Das Thema Arbeitszeit spielte angesichts der hohen Inflation eine nachgeordnete Rolle, das Thema rückt aber wieder in den Fokus." Tarifauseinandersetzungen stehen laut den Vize-Chefinnen Kosic und Christine Behle etwa bei der Postbank, in der Druckindustrie, bei der Telekom, dem privaten Bankgewerbe, großen Krankenkassen, kommunalen Nahverkehrsunternehmen an - und ab 18. Januar bei der Lufthansa. Hier seien die Verhandlungen bis Mitte März terminiert. Arbeitskampfmaßnahmen bei der Lufthansa wollte Behle ausdrücklich "nicht ausschließen".
Für den öffentlichen Dienst kündigte Behle an, Verdi werde sich verstärkt um eine Entlastung der Beschäftigten kümmern. Dem diene auch eine große Beschäftigten-Befragung zur Arbeitszeit noch ab Januar. Als mögliche Themen der in einem Jahr startenden Tarifrunde für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen nannte Behle kürzere Arbeitszeit und weitere entlastende Maßnahmen.