Aber weil mehrere europäische Länder noch auf russisches Gas angewiesen seien, halte man noch am Transit fest. Doch ob sich diese Länder bis Ende 2024 aus der Abhängigkeit von russischem Gas befreien können, ist fraglich.
Wenn der Gasfluss durch die Ukraine ausfällt, "ist das für einige Länder ein Problem", sagt Andreas Schröder, Leiter der Energieanalyse beim Energiemarktforscher ICIS. Zwar hätte ein ukrainischer Transit-Stopp auf die gesamteuropäische Gasversorgung keine große Auswirkung, da laut Schröder nur noch weniger als zehn Prozent der europäischen Pipelineflüsse aus Russland kommen. Aber Länder wie Italien, Österreich, Ungarn und die Slowakei seien weiterhin auf die Gaslieferung aus Russland angewiesen, erklärt Schröder.
Sollte die Ukraine ab 2025 tatsächlich kein russisches Gas mehr durch ihr Land in den Westen lassen, könnte das auch zu Preissprüngen führen. Auf dem europäischen Markt sei dann mit einem Anstieg des Gaspreises zu rechnen. Doch vor allem sei in Mitteleuropa das Gas für gewöhnlich teurer, als im Norden Europas. "Diese Preisdifferenzen würden sich dann zunächst verstärken", prognostiziert Schröder.
Für die Länder Mitteleuropas bedeutet das nun, sich rasch um neue Lieferanten zu bemühen. Anders als Deutschland, das kein Gas mehr aus Russland bezieht, liegt der Anteil russischer Gasimporte beispielsweise in Österreich im Jahr 2023 durchschnittlich weiterhin bei über 50 Prozent. Vor dem russischen Angriffskrieg im Februar 2022 waren es fast 80 Prozent.
Der ehemalige Chef des österreichischen Energiekonzerns OMV, Gerhard Roiss, warnte bereits im Juni vor dem Ende russischer Gaslieferungen über die Ukraine. Gleichzeitig zeigte er sich zuversichtlich. "Wenn wir heute die richtigen Maßnahmen treffen, dann können wir bis Ende 2024 unabhängig von russischem Gas sein", sagte er bei einer Podiumsdiskussion. Österreichs Vertrag mit dem russischen Energieunternehmen Gazprom läuft theoretisch noch bis 2040. Unter Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde der Vertrag verlängert. Wladimir Putin war dafür extra nach Wien gereist.
Der EU-Botschafter in Österreich, Martin Selmayr, hatte im September eine diplomatische Krise ausgelöst, als er Österreichs Zahlungen an Moskau im Gegenzug für Gaslieferungen als "Blutgeld" bezeichnete. Selmayr wurde daraufhin ins Außenministerium zitiert, blieb inhaltlich aber bei seiner Aussage.
Auch die EU-Kommission hatte zuletzt Kritik an Österreich geübt, weil es keinen "klar definierten kurzfristigen" Plan zur vollständigen Abkoppelung von russischen Gasimporten habe. Österreich habe seine Abhängigkeit zwar verringern können, liege aber noch immer weit über dem EU-Durchschnitt. Ziel der EU ist es, ab 2027 komplett auf fossile Energie aus Russland zu verzichten.
Zumindest das Ende der russischen Gaslieferungen könnte durch den ukrainischen Transit-Stopp nun schneller kommen, als in den Verträgen vorgesehen. Nachdem Russland die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 im September 2022 eingestellt hat, sind zwei Trassen entscheidend für die europäische Gasversorgung. Zum einen ist das die Gaspipeline TurkStream, die vom Süden Russlands durch das Schwarze Meer in die Türkei verläuft und von dort verschiedene Länder im Balkan versorgt.
Zum anderen ist das die Pipeline Transgas. Sie verläuft durch die Ukraine, durch die Slowakei und Tschechien bis nach Österreich und Deutschland – und wäre von dem ukrainischen Transit-Stopp betroffen. Vor allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) umstellen können, werden bisher noch durch die Transgas-Pipeline versorgt.
"Ein Teil des Ausfalls von der Transgas-Pipeline ließe sich mit der türkischen Route kompensieren", sagt Schröder. Das Gas könne an der Ukraine vorbei, durch TurkStream nach Europa umgeleitet werden, so der Gas-Experte weiter, "aber die Kapazität dieser Pipeline ist beschränkt." Mitteleuropäische Länder, wie Österreich oder auch Ungarn und die Slowakei müssten daher zukünftig auf andere Lieferanten setzen. Zum Beispiel auf Deutschland.
"Bisher läuft das Gas in Europa meistens von Osten nach Westen", erklärt Schröder, "aber der Gasfluss lässt sich auch umkehren." Das beweist das Beispiel der Pipeline Jamal, die von der Jamal-Halbinsel in Sibirien durch Russland, Belarus, Polen bis nach Deutschland verläuft. Wie bei Nord Stream 1 fließt allerdings auch durch Jamal seit längerem schon kein russisches Gas mehr nach Europa. Stattdessen wird die Pipeline laut Bundesnetzagentur mittlerweile dafür genutzt, Gas in die umgekehrte Richtung, also von Deutschland nach Polen, zu transportieren.
Wenn Deutschland als Transitland zukünftig Länder wie Österreich oder die Slowakei mit Erdgas versorgen soll, dürfe dafür Norwegen als größter Gasimporteur nach Deutschland nicht ausfallen, betont Schröder. "Das ist ein Risiko, an dem dann ein ganzer Rattenschwanz dranhängt." Italien könne sich aufgrund seiner Lage noch anderweitig mit Gas eindecken, zum Beispiel mit LNG, also Flüssiggas. Für die mitteleuropäischen Länder, die momentan noch von russischem Gas abhängig sind, gelte das nicht.
Registrierung und Gründung einer maltesischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Für diese Länder könnten die Ausbaupläne Deutschlands interessant werden. "Eigentlich ist die LNG-Planung Deutschlands zu überdimensioniert", erklärt Schröder. "Sollte aber auch Norwegen mal als Gasimporteur ausfallen, könnten die deutschen LNG-Kapazitäten die mitteleuropäischen Länder mitversorgen."
In Wilhelmshaven soll in diesem Winter ein zweites Terminal für den Import von Flüssigerdgas entstehen. Um es weiterzutransportieren, sind in den kommenden Jahren weitere Pipelines geplant. Die Bauarbeiten für einen ersten Abschnitt der unterirdischen Leitung sollen 2024 beginnen. Bereits in Betrieb sind Anlagen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel an der Nordsee sowie in Lubmin.