Der ukrainische General Oleksandr Tarnawskij schrieb am Freitag in Onlinemedien von "erbitterten Kämpfen" in Awdijiwka. "Unsere Truppen nutzen alle verfügbaren Kräfte und Mittel, um den Feind zurückzudrängen." Der General bezeichnete die Lage in Awdijiwka als "schwierig", aber unter Kontrolle. Kommandeure seien beauftragt worden, die "Situation zu stabilisieren", erklärte Tarnawskij weiter. Neue Stellungen würden vorbereitet. Später am Freitag teilte Tarnawskij mit, die Armee ziehe sich von einer Stellung im Süden von Awdijiwka zurück.
Russland versucht seit Monaten, Awdijiwka einzunehmen. Die Stadt, die vor Beginn des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine rund 33.000 Einwohner zählte, liegt in der Region Donezk. Diese ist eine von insgesamt vier Regionen, die der Kreml 2022 für annektiert erklärt hatte.
Ein russischer Sieg in Awdijiwka wäre der bedeutendste Geländegewinn für Moskau, seit Russland im vergangenen Mai die Stadt Bachmut nach monatelangen blutigen Kämpfen eingenommen hatte. Seitens einer in dem Gebiet kämpfenden Brigade hieß es am Freitag, die Situation in Awdijiwka sei noch schwieriger als in Bachmut.
"Es war dort (in Bachmut) schwierig, aber jetzt ist es extrem schwierig", sagte ein Sprecher der dritten Angriffsbrigade. Die Kämpfe seien nun schwieriger, da die russischen Streitkräfte besser ausgerüstet seien.
Der Kampf um das Industriezentrum, das weniger als zehn Kilometer nördlich der von Russland kontrollierten Stadt Donezk liegt, ist einer der blutigsten in dem seit fast zwei Jahre andauernden Krieg. Laut dem Centre for Information Resilience wurden in Awdijiwka fast alle Gebäude beschädigt oder zerstört.
Bei den USA, die der wichtigste Unterstützer der Ukraine sind, riefen die Berichte über die Lage in Awdijiwka Besorgnis hervor. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, warnte am Donnerstag, es bestehe die Gefahr, dass Awdijiwka "unter russische Kontrolle gerät".
In den USA ist die weitere Unterstützung der Ukraine derzeit ein großer Streitpunkt zwischen den Demokraten von Präsident Joe Biden und den oppositionellen Republikanern. Um einen möglichen Ausfall der USA zu ersetzen, muss die EU einem neuen Bericht zufolge ihre Militärhilfe für Kiew verdoppeln. Es sei ungewiss, ob die Vereinigten Staaten im laufenden Jahr weitere Militärhilfe leisten werden, erklärte das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Ein möglicher Wegfall der US-Hilfen sei zwar "eine Herausforderung, aber letztlich eine Frage des politischen Willens", erklärte Christoph Trebesch, Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt. Die EU-Länder gehörten zu den reichsten der Welt. "Bisher haben sie nicht einmal ein Prozent ihrer 2021 Wirtschaftsleistung für die Unterstützung der Ukraine ausgegeben."