Pessimisten hätten deshalb "eine Katastrophe" vorausgesagt. "Aber sie haben die Anpassungsfähigkeit der Ukraine unterschätzt." In diesem Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nun um vier Prozent wachsen. Zudem habe sich die Inflation auf neun Prozent verlangsamt und die internationalen Reserven lägen stabil bei rund 40 Milliarden Dollar (rund 43 Milliarden Euro). "Dank der Unterstützung unserer Partner, einschließlich Deutschlands, können wir die makrofinanzielle Stabilität aufrecht erhalten", hob Schmyhal hervor.
Außerdem gibt es nach Einschätzung der ukrainischen Regierung weiteren Grund zu Optimismus: So habe sich insbesondere die Sicherheit verbessert. Auch hier habe Deutschland einen "großen Beitrag" geleistet, sagte Schmyhal und verwies hierbei auf die deutschen Flugabwehrsysteme. Zudem habe sich zuletzt die Produktivität erhöht und die Logistik verbessert. Darüber hinaus seien Verbesserungen unter anderem bei der Digitalisierung, beim Abbau bürokratischer Hürden und bei der Schaffung von Industrieparks erreicht worden. Für das kommende Jahr werde ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent erwartet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich per Videobotschaft von Kiew aus an das Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum wandte, würdigte die deutsche Unterstützung für sein Land. Deutschland sei bekannt für seine Zuverlässigkeit, sagte er. "Sie sind wirklich ein verlässlicher Partner", sagte Selenskyj. "Ich bin dankbar für Ihre starke Unterstützung für die Ukraine, für unsere Menschen." Nun gebe es die Chance - auch im Interesse von mehr Sicherheit - "gemeinsam zu wachsen".
Trotz der dramatischen Ereignisse in Nahost hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Ukraine weiter uneingeschränkte finanzielle und militärische Hilfe zugesichert. Die Unterstützung für die Ukraine werde durch die schrecklichen Ereignisse um den Angriff der Hamas auf Israel "in keiner Weise" beeinträchtigt, sagte Scholz am Dienstag beim deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin. "Beiden Ländern - Israel und der Ukraine - gilt unsere unverbrüchliche Solidarität."
Deutschlands zivile und militärische Hilfe belaufe sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine auf 24 Milliarden Euro, sagte Scholz. Zusammen mit den Partnern in EU und G7 lasse die Bundesregierung "keinen Zweifel an unserer Entschlossenheit und unserer Durchhaltefähigkeit" bei der Hilfe für die Ukraine aufkommen. Scholz kündigte für Juni kommenden Jahres in Berlin eine zusammen mit der Regierung in Kiew organisierte Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine an.
Unternehmen aus Deutschland rief Scholz auf, schon jetzt in der Ukraine zu investieren und beim Wiederaufbau zu helfen. "Wer heute in die Ukraine investiert, der investiert in ein künftiges EU-Mitgliedsland", sagte er. Die Bundesregierung federe schon jetzt Risiken für Investitionen in dem Land durch Garantieinstrumente ab.
Zudem forderte Scholz Firmen auf, die hierzulande unter einem Mangel an Arbeitskräften leiden, das "große Potenzial" der rund eine Million nach Deutschland geflüchteten Ukrainer und Ukrainerinnen zu nutzen. Viele von ihnen sprächen inzwischen Deutsch und seien vielfach gut ausgebildet, sagte der Kanzler. Selbst wenn die Menschen nach Kriegsende in die Ukraine zurückgingen, könnten sie dann als "menschliche Brücken" in ein Land mit enormem Wirtschaftspotenzial fungieren.