Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagt: "Was wir am Wochenende in München erlebt haben, war kein normaler Wintereinbruch, sondern die größte Schneemenge in München seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das war eine extreme Sondersituation in kürzester Zeit." Aber auch: "Allerdings dauert die Situation auf der Schiene jetzt schon deutlich zu lange an." Die Wetterlage sei angekündigt gewesen. Die Bahn müsse sich für die Zukunft besser aufstellen.
"Der Eindruck trügt leider nicht: Da ist deutlich gespart worden, zum Beispiel beim schweren Räumgerät", sagt Bernreiter. Auch Experten verweisen auf fehlendes wintertaugliches Material und Personal. "Winterbetrieb ist mit viel Handarbeit und Maschineneinsatz verbunden", sagt Heino Seeger, ehemaliger Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn und Eisenbahnbetriebsleiter. "Es ist billiger, bei solchen Lagen nicht zu fahren als gegen den Schnee und die Witterungsverhältnisse anzukämpfen. Reserven kosten Geld. Deshalb wurden Reserven gestrichen: beim Personal, bei den Zügen und beim Räumgerät", sagt Seeger.
"Es musste so kommen", meint der Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität Berlin, Markus Hecht. Ein Problem sei auch das Fehlen von Schneefangzäunen, die Schneeverwehungen auf den Gleisen eindämmen könnten.
Gerade mit dem Klimawandel müsse eben nicht unbedingt mit weniger Schnee, sondern mit extremeren Wetterlagen gerechnet werden, darunter auch starke Schneefälle, sagt der Bundesvorsitzende vom Fahrgastverband Pro Bahn, Detlev Neuß. "Diese Wetterlagen sind keine Einzelfälle. Darauf muss sich die Bahn einstellen, das kostet Geld - und das Geld muss zur Verfügung gestellt werden."
Es gehe auch um Erdrutsche nach schweren Regenfällen, Hagel und Sturm. Bahn-Experten nennen auch die 1993 beschlossene Bahnreform; mit der - so sagen die Fachleute - die Bahn nicht nur Geld kosten, sondern auch Geld einfahren sollte. Nun beginne ein Umdenken, sagt Neuß. "Das geht zwar für unseren Geschmack zu langsam, aber die Richtung stimmt: hin zu einem mehr gemeinwohlorientierten Unternehmen."
Die Deutsche Bahn verweist auf die DB Netz, die zuständig ist für die Schienenwege. "Am späteren Freitagabend erreichten uns innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Meldungen über Vegetation in Gleisen und Oberleitungen und weitere witterungsbedingte Störungen", teilte ein DB-Sprecher mit. "Da die Wettervorhersagen weiteren starken Schneefall prognostizierten, traf DB Netz die Entscheidung, den Bahnverkehr im betroffenen Gebiet aus Sicherheitsgründen vorsorglich einzustellen."
Laut Mitteilung der DB Ende November besitzt sie in Bayern 13 bahneigene Räumfahrzeuge, bei 9800 Streckenkilometern in der Region Süd. Dazu kämen sieben Fahrzeuge der leichten Schneeräumtechnik: vier Multifunktionale Instandhaltungsfahrzeuge für die Schieneninfrastruktur und drei Gleisarbeitsfahrzeuge, hieß es.
Am Dienstag teilte die Bahn mit, die Zahl der Räumfahrzeuge sei nun aufgestockt worden. Mehr als 20 große Maschinen seien mittlerweile in der Region unterwegs, darunter auch besonders leistungsfähige Schneeschleudern, die aus Hessen und Baden-Württemberg nach Bayern verlegt wurden. Fachleute prüften, ob die Zahl der Räumfahrzeuge mit Unterstützung aus anderen Regionen noch weiter erhöht werden könne.
Warum läuft es in der Schweiz und in Österreich besser? Beide Länder haben den Bahn-Experten zufolge eine bessere Winterausrüstung für ihre Züge und bessere Räumfahrzeuge. "Das sind Alpenländer, die darauf eingestellt sind. Sie haben Personal und Räumfahrzeuge", sagt Neuß. Man könne nach solchen Schneefällen nicht erwarten, dass nach einer halben Stunde alles wieder laufe, aber es dürfe nicht tagelang dauern.
"Das Problem bei uns ist, dass die Schneeräumung der DB Netz zugeordnet ist - und die DB Netz hat keine zusätzlichen Ressourcen, auch keine Lokomotiven dafür", ergänzt Hecht. "Die offene Frage ist, wie die Schneeräumung in den Anforderungen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft definiert ist, da das auf Regionalverkehrsstrecken Länderangelegenheit ist."
Heino Seeger berichtet zumindest für die Bayerische Oberlandbahn und die Bayerische Regiobahn, diese seien damals als Unternehmen aktiv geworden. Etwa habe man die Gleise gerade über Nacht frei gehalten. "Wenn es so geschneit hat wie jetzt, hat uns das nicht geschreckt. Wir haben dann nachts Lokomotiven mit Pflugscharen (eine Art Räumschild) fahren lassen, damit die Strecke nicht zuschneit." Damit seien die Strecken der Oberlandbahn auch bei viel Schnee befahrbar geblieben - allerdings mit hohem Personalaufwand. "Der Wille muss da sein, fahren zu wollen."
Die bayerische Staatsregierung hat das angemahnt. Man werde sicherlich im Nachgang in Ruhe analysieren müssen, "weshalb es gerade im Bereich des Zugverkehrs doch solche erheblichen Schwierigkeiten gegeben hat", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Minister Bernreiter kündigte an: "Ich werde mit der Bahn ein Gespräch darüber führen und ich werde es sehr niederbayerisch-deutlich sagen: Die Bahn muss sich für die Zukunft besser aufstellen."
Bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft BEG, die im Auftrag des Freistaats den Regionalverkehr in Bayern bestellt, heißt es: "Wir erwarten, dass alle Beteiligten die aktuellen Winterprobleme kurzfristig und umfassend aufbereiten und entsprechende Verbesserungen ableiten."
Auch die DB kündigte an: "Selbstverständlich werden wir das Krisenmanagement am vergangenen Wochenende ausführlich und strukturiert analysieren, um die Prozesse und Vorbereitungen für künftige Extremwetterereignisse zu optimieren."