Das historische Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Haushaltspraxis der Koalition von SPD, Grünen und FDP hat zu einem Loch im Bundeshaushalt 2024 geführt, dessen Größe Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf 17 Milliarden Euro schätzt. Wie es geschlossen werden soll, ist noch offen. Neben Sparmaßnahmen ist ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im Gespräch.
Klingbeil sprach von der bisher größten innenpolitischen Bewährungsprobe der Ampel. "Ich würde auch nicht drum herumreden wollen, das wird jetzt ruckelig die nächsten Wochen", sagte er. "Aber ich bin am Ende optimistisch, dass wir den Haushalt auch hinbekommen. Wir haben einige Krisen schon lösen können, und das ist jetzt die nächste große Bewährungsprobe, die vor uns liegt. Und ich bin da guter Dinge, dass wir das hinbekommen, auch wenn es noch viele Debatten gibt, die wir zu führen haben."
Auf die harten Attacken der Union gegen die Ampel-Koalition wegen der Haushaltskrise folgt nun die Retourkutsche von Klingbeil. Dem CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder warf Klingbeil vor, sich mit seinem Vorstoß für eine Neuwahl des Bundestags nur wichtigtun zu wollen. "Ich glaube, Markus Söder will vor allem auch in den Schlagzeilen sein, weil er sich ein bisschen langweilt dort in Bayern und Friedrich Merz die große Bühne nicht alleine gönnt."
Die Kritik von CDU-Chef Friedrich Merz an Kanzler Olaf Scholz im Bundestag nannte der SPD-Vorsitzende überzogen. "Er hat auch wieder eine Schärfe in die Debatte hineingebracht, die, glaube ich, der Lage des Landes und der Situation, die wir politisch zu klären haben, nicht angemessen ist."
In seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung des Kanzlers auf die Haushaltskrise hatte Merz dem SPD-Politiker Scholz Regierungsunfähigkeit vorgeworfen. Es sei "einfach nur noch peinlich", wie der Kanzler agiere, hatte er gesagt: "Sie können es nicht." Kurz zuvor hatte CSU-Chef Söder eine Neuwahl des Bundestags gleichzeitig mit der Europawahl am 9. Juni 2024 ins Gespräch gebracht.
Klingbeil sagte dazu, Söder habe sich zuerst für die Bildung einer großen Koalition ausgesprochen und jetzt für eine Neuwahl. "Mal gespannt, was zum Ende der Woche kommt."
Merz und der CDU warf der SPD-Chef vor, selbst keine einheitliche Position zu dem durch das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstandene Haushaltsloch zu haben. "Die Union ist ja nicht sortiert, das sieht man ja in diesen Tagen", sagte Klingbeil. "Die Ministerpräsidenten widersprechen offen dem Parteivorsitzenden." "
Gemeint ist der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der sich anders als Merz und die Unionsfraktion - aber wie die SPD - für eine Reform der Schuldenbremse stark macht. Merz hatte ihn dafür im Plenum des Bundestags gemaßregelt. "Friedrich Merz nimmt sich raus, dass er für die ganze CDU spricht. Und es dauert wenige Stunden, bis der laute öffentliche Widerspruch aus den eigenen Reihen kommt", sagte Klingbeil. Das zeige aber auch, "dass da viele Kräfte sind in der Union, die sagen, (...) da geht es um staatspolitische Verantwortung. Und ich bin sehr dankbar, dass es diese Stimmen auch gibt".
Er glaube daher, dass es weiterhin möglich sei, mit der Union über die Lösung der Probleme ins Gespräch zu kommen. "Am Ende haben wir auch andere Stimmen aus der Union, Stimmen von Ministerpräsidenten, die sagen, wir wollen dort gemeinsam auch mit der Regierung etwas machen", betonte Klingbeil. "Am Ende geht es um eine Verantwortung, die wir alle tragen, dass das Land nicht weiter polarisiert wird, dass die Arbeitsplätze hier gesichert werden, dass die Unternehmen hier vernünftige Investitionen bekommen. Und da, finde ich, sollten wir als demokratische Partei auch weiter im Gespräch bleiben."
Die FDP im Bundestag hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Überprüfung des Bürgergelds aufgefordert. Nach dem Willen des arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Pascal Kober, soll die für Anfang 2024 geplante Steigerung der Grundsicherung auf den Prüfstand. Konkret solle Heil prüfen, ob die aktuell wieder niedrigere Inflationsentwicklung bei der Entwicklung des Bürgergelds gesetzlich abgebildet werden könne, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Die Inflation war im November auf den niedrigsten Stand seit Juni 2021 gefallen: Die Verbraucherpreise lagen noch um 3,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die geplante deutliche Erhöhung des Bürgergeldes ab 2024 basiere dagegen noch auf einer Inflation der regelbedarfsrelevanten Preise von 9,9 Prozent, sagte Kober. Heil solle prüfen, wie sich die Inflation von nun 3,2 Prozent auf die für die Berechnung der Regelsätze einschlägige Preise auswirke und was dies für die Höhe des Bürgergelds bedeuten würde.
Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen. Für Alleinstehende wird das Bürgergeld zum 1. Januar um 61 auf 563 Euro erhöht. Anders als bei früheren Anpassungen der Regelsätze war die über Monate stark erhöhte Inflation aufgrund einer Änderung der Regeln bei der Berechnung für 2024 stärker berücksichtigt worden.
Die "Märkische Oderzeitung" kommentiert den Zustand der Ampel-Koalition:
"Vieles spricht dafür, dass sich die Grünen und die SPD an den strengen Regeln der Schuldenbremse vorbeimogeln möchten und auch für 2024 eine Notlage ausrufen wollen. Vieles spricht dafür, dass die FDP das nicht mitmacht. Scholz scheint nach einem Kompromiss zu suchen. Seine Truppe dürfte gerade jeden Haushaltsposten einzeln nach finanziellen Reserven durchforsten. Sollte ihm das überzeugend gelingen, ginge er aus der größten Regierungskrise seiner Amtszeit gestärkt hervor. Setzt der Kanzler allerdings auf einen Formelkompromiss, spitzfindig und winkeladvokatig, dann muss er sich ernsthaft Sorgen um seine Kanzlerschaft machen."
Die "Allgemeine Zeitung" schreibt zur Schuldenbremse:
"Statt die Interessenlagen intern zu diskutieren und eine gemeinsame Linie zu finden, topft Merz Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner öffentlich ein. Ähnlich, wie er es mit Wüst nach dessen Äußerungen zu bundespolitischen Ambitionen getan hatte. Das ist nicht nur dünnhäutig und unsouverän, sondern schwächt seine Position innerhalb der CDU - und nährt auch hier den Eindruck, dass auch Merz für führende Ämter nicht die passende Schuhgröße hat."