Das Wachstumspaket der Ampel-Koalition zum Ankurbeln der stagnierenden deutschen Wirtschaft wurde vom Bundesrat in den Vermittlungsausschuss geschickt, wo nun ein Kompromiss gefunden werden muss. Die Länder kritisierten die aus ihrer Sicht völlig unfaire Kostenverteilung. "Es handelt sich um einen Vertrag zu Lasten Dritter, der hier vorgeschlagen wird", monierte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Er rechnete vor, dass das Gesetz einen Gesamtverlust staatlicher Einnahmen von 32 Milliarden Euro bis zum Jahr 2028 zur Folge hätte. Der Bund beteilige sich nach dessen Berechnungen mit etwa 37 Prozent an diesen Verlusten, 63 Prozent entfielen auf Länder und Kommunen.
Das Gesetz sieht steuerliche Entlastungen für Unternehmen bis 2028 und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor. Die Entlastungen sollen jährlich sieben Milliarden Euro betragen. Das Gesetz enthält zudem steuerliche Anreize, um den kriselnden Wohnungsbau anzukurbeln. Auch zusätzliche steuerliche Impulse für mehr Forschung sind vorgesehen.
Der geplante staatliche Online-Atlas für Leistungen und Behandlungsqualität der Krankenhäuser in Deutschland wird zunächst nicht kommen. Zum entsprechenden Gesetz rief der Bundesrat ebenfalls den Vermittlungsausschuss an. Der Gesundheitsminister-Vorsitzende Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg sagte, die Intention sei richtig. So, wie das Gesetz vorgelegt werde, schaffe es aber nicht mehr Transparenz, sondern stifte Verwirrung. Mehrere Länder kritisierten auch Eingriffe in ihre Hoheit für die Krankenhausplanung und forderten mehr Finanzhilfen des Bundes. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte vor einem Ausbremsen des Gesetzes und warb noch um Zustimmung - vergeblich.
Das Gesetz soll kranken Menschen helfen, das für sie richtige Krankenhaus zu finden. Es sieht vor, dass ein Transparenzverzeichnis von Mai 2024 an als interaktives Portal verständlich über das jeweilige Angebot an bundesweit 1700 Klinikstandorten Auskunft gibt. So soll erkennbar sein, welche Klinik welche Leistungen anbietet.
Auch Neuregelungen im Straßenverkehrsrecht, die Städten und Gemeinden mehr Spielraum etwa für das Einrichtung von Busspuren, Radwegen und Tempo-30-Zonen geben sollten, fanden nicht die erforderliche Mehrheit. Das Gesetz sah vor, dass grundsätzlich neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden sollen. Da das Gesetz keine Mehrheit bekam, setzte der Bundesrat eine darauf basierende Novelle der Straßenverkehrsordnung von der Tagesordnung ab.
Zur von der Bundesregierung geplanten Kindergrundsicherung konnte der Bundesrat zunächst nur eine Stellungnahme abgeben. Doch es zeigte sich, dass die Länder auch hier Teile ablehnen. Besonders kritisch sehen sie die vorgesehenen Doppelstrukturen in den Verwaltungen. Der neue Familienservice würde die Zuständigkeit für die zu pauschalisierenden Leistungen übernehmen und den Ländern würde die Zuständigkeit für die nicht zu pauschalisierenden Leistungen übertragen, monierte Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne). "Aus Perspektive der Familien wird damit eine Leistung auf unterschiedliche Behörden aufgeteilt."
Der Bundesrat legte sich aber nicht bei allen Gesetzesvorhaben quer. So billigte er eine Verschärfung des Lobbyregisters, das Auskunft über das Einwirken von Lobbyisten auf die Gesetzgebung offenlegen soll. Künftig werden Interessenvertreter von Unternehmen, Verbänden und Organisationen zum Beispiel Kontakte in Ministerien bis zur Referatsleiterebene hinab öffentlich machen müssen. Sie müssen dann auch angeben, auf welche konkreten Gesetzes- oder Verordnungsvorhaben sich ihre Aktivitäten beziehen. Außerdem sind im Lobbyregister auch Hauptfinanzierungsquellen und Mitgliedsbeiträge der Interessenvertretungen anzugeben.
Nach der Billigung durch den Bundesrat wird künftig die staatliche Förderung für politische Stiftungen erstmals auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen. Eine Voraussetzung ist, dass die Partei, der die jeweilige Stiftung nahesteht, drei Mal in Folge in den Bundestag gewählt worden sein muss. Das schließt momentan die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung aus. Sie könnte aber auch nach dem sich abzeichnenden AfD-Erfolg bei der Bundestagswahl 2025 außen vor bleiben. Denn verlangt wird auch ein Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Zwei AfD-Landesverbände - Thüringen und Sachsen-Anhalt - sind aber inzwischen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die AfD als Ganzes gilt als rechtsextremistischer Verdachtsfall.
Die Länderkammer stimmte dem so genannten Zukunftsfinanzierungsgesetz zu - ein Maßnahmenpaket mit mehr als 30 Artikeln. Sein Ziel ist es, Start-Ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen einen leichteren Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen. Außerdem sollen Investitionen in Erneuerbare Energien besser gefördert und steuerliche Regelungen für Investmentfonds an Vorgaben anderer EU-Staaten angeglichen werden. Dies soll den Standort Deutschland für nationale wie internationale Investoren attraktiver machen.
Der Bundesrat stimmte dem Pflegestudiumsstärkungsgesetz zu, das dem Weg für eine Vergütung von Studierenden in der Pflege frei macht. Diese Vergütung wird für die gesamte Dauer des Studiums bezahlt, wer bereits mitten im Studium ist, bekommt die Vergütung für die verbleibende Zeit. Damit soll erreicht werden, dass mehr Menschen ein Pflegestudium beginnen. Langfristig soll auch die Akademiker-Quote beim Pflegepersonal steigen.
Einmütig zeigte sich der Bundesrat bei einer Personalie. Er wählte einstimmig Generalbundesanwalt Peter Frank zum neuen Richter am Bundesverfassungsgericht. Er löst Peter Müller ab, der die Altersgrenze von 68 Jahren und das Ende seiner 12-jährigen Amtszeit erreicht hat. Frank ist seit dem 5. Oktober 2015 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof und somit Chef der Bundesanwaltschaft.
Die neue Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) rief zur Eröffnung der Sitzung angesichts der vielen politischen Herausforderungen zur Suche nach breit getragenen Kompromissen auf. "Der gute, faire Kompromiss zum Wohle vieler in unserem Land ist nicht schlecht, sondern ein gutes Merkmal unserer Demokratie", sagte die Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern in ihrer Antrittsrede in der Länderkammer. Das Finden von Kompromissen sei oft anstrengend. "Aber es ist genau das, was die Demokratie stark macht." Die Präsidentschaft im Bundesrat war am 1. November turnusmäßig von Hamburg auf Mecklenburg-Vorpommern übergegangen.