Auch, wenn bislang niemand seinen Hut in den Ring geworfen hat und beide auch in Hürth bemüht waren, Geschlossenheit herauszustreichen. Insofern muss Merz' energische Rede vor seinem Landesverband zwar nicht als Kampfansage interpretiert werden - empfohlen hat er sich mit markigen Worten zur Migrationspolitik und gegen die Ampel aber schon. Selbstbewusst stellte der Oppositionsführer der Bundesregierung Bedingungen für einen "Deutschlandpakt". Und begeistert bilanzierte er die letzten vier Landtagswahlsiege der CDU seit 2022: "Wir sind so gut wie Grüne, SPD und FDP zusammen." Dass er seiner Parteiführung daran auch einen Anteil zurechnet, wurde spätestens deutlich, als er die gewonnene Landtagswahl der CSU in Bayern anfügte: "Nicht ganz in meinem Verantwortungsbereich."
Der 67-jährige Sauerländer schwor die Partei schon mit reichlich Emphase auf Siegesgewissheit und absolute Geschlossenheit ein. Bei der Bundestagswahl 2021 hatten nicht zuletzt Querschüsse zwischen CDU und CSU einen Wahlsieg torpediert. "Wir sind über 30 Prozent. Und da bleiben wir auch", sagte er zu aktuellen Umfragen. Voraussetzung sei, dass "wir nach außen ein klares Bild der Geschlossenheit abgeben und an keiner Stelle irgendeinen Zweifel daran lassen, dass wir die feste Absicht haben, Europawahl und Bundestagswahl in den nächsten zwei Jahren zu gewinnen."
Mit Wüst arbeite er "eng, freundschaftlich und ohne jeden Widerspruch zusammen", versicherte Merz. Das werde in den kommenden Jahren so bleiben, "und so gehen wir jetzt gemeinsam auf den Weg". Auch Wüst lobte die Teamleistung der CDU bei seiner gewonnenen Landtagswahl 2022 und die Zusammenarbeitmit Merz: "Wir waren einig, geschlossen und deshalb waren wir stark."
Ansonsten präsentierte sich der 48-jährige Münsterländer deutlich gefühliger als Merz. "Ich erinnere mich noch gut, ich war 14", leitete er seine Erinnerungen ein, wieso der Sozialismus für ihn nach TV-Bildern über weggesperrte Heimkinder in Rumänien nicht infrage kam. "Ich hatte damals einen Schwarz-Weiß-Fernseher in meinem Jugendzimmer, Esche grau furniert." Er spannte einen großen Themenbogen - angefangen von Heimat ("ein schönes Wort"), über die Konflikte in Israel und in der Ukraine bis hin zur Versäumnissen der Bundesregierung. Wüst lobte alle seine Minister mit persönlichen Worten und seinen Grünen-Koalitionspartner für "Pragmatismus" und Ringen "immer fair und hinter verschlossenen Türen".
Merz schulmeisterte hingegen die Partei, mit der Wüst seit Sommer 2022 die erste schwarz-grüne Koalition in der NRW-Landesgeschichte bildet: "Sie müssen in der Einwanderungspolitik in die Bundesrepublik Deutschland ihren Kurs korrigieren", gab er den als Gäste anwesenden Grünen-Landesvorsitzenden mit auf den Weg. "Das kann so nicht bleiben."
Dass vor dem Düsseldorfer Landtag kürzlich 22.000 Menschen gegen Defizite im Sozialstaat demonstrierten, erwähnte Wüst nicht. Die Landtagsopposition wirft ihm seit langem vor, ein "Ministerpräsident der schönen Bilder" zu sein, der zu kritischen landespolitischen Themen einfach keine Stellung beziehe. An seiner Basis schadet das dem hoch gewachsenen Politiker ganz offensichtlich nicht: Laut Parteiangaben stimmten 625 Delegierte für ihn, nur 21 mit Nein, 3 enthielten sich. Anders als andere Parteien zählt die CDU bei der Berechnung der Zustimmung in Prozent Enthaltungen nicht zu den gültigen Stimmen.
Wüst führt den mit rund 111.000 Mitgliedern stärksten CDU-Landesverband seit zwei Jahren. Im Oktober 2021 war er mit 98,3 Prozent der gültigen Stimmen zu Laschets Nachfolger gewählt worden, nachdem der gescheiterte CDU-Kanzlerkandidat angekündigt hatte, in den Bundestag zu wechseln. Kurz darauf hatte Wüst auch als NRW-Regierungschef Laschets Nachfolge angetreten.
Für die fünf Stellvertreter-Posten trat lediglich der populäre NRW-Innenminister Herbert Reul (71) nicht mehr an. Aus seinem Bezirk Bergisches Land wurde stattdessen Jan Heinisch gewählt (87,9 Prozent), der bereits von 2012 bis 2021 Vize der Landespartei war. Die anderen vier wurden wiedergewählt, darunter NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (85,2). Im Amt bestätigt wurde ebenfalls Generalsekretär Paul Ziemiak (87,4).