Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt richteten sich mit einem auf Freitag datierten Schreiben direkt an Kanzler Olaf Scholz (SPD). "Wir appellieren an Sie und die gesamte Bundesregierung, noch im ersten Quartal des laufenden Jahres wirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit die deutsche Wirtschaft schnell aus der Rezession herausfindet", heißt es in dem AFP vorliegenden Brief. Deutschland drohten "Wohlstandsverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmaß".
Die Union will unter anderem die Sozialabgaben auf 40 Prozent des Bruttolohns begrenzen und Überstunden für Vollzeitbeschäftigte steuerlich begünstigen. Zudem soll eine Wochen- statt einer Tagesarbeitszeit eingeführt werden, was mehr Flexibilität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber böte. Weiter sollen die Steuern auf thesaurierende, also im Unternehmen verbleibende Gewinne auf 25 Prozent gesenkt werden.
Die ersten 2000 Euro Arbeitseinkommen im Jahr für Rentner sollen steuerfrei sein; die Sanktionen bei der Verweigerung von Arbeit im Bürgergeldbezug solle verschärft werden, die Stromsteuer "dauerhaft auf das europäische Minimum" gesenkt werden. Auch müssten die Steuererhöhungen für Landwirte vollständig zurückgenommen werden.
Merz und Dobrindt appellieren an Scholz, "sich diesem Paket an Sofortmaßnahmen anzuschließen und hierfür die nötige Einigkeit innerhalb Ihrer Koalition herzustellen". Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will den Plan in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags zur Beratung einbringen.
Grünen-Fraktionsvize Audretsch sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Was Merz jetzt tut, ist an Absurdität nicht zu überbieten." Während die Union das Wachstumschancengesetz blockiere, fordere der CDU-Chef von Scholz Wachstumsimpulse.
FDP-Fraktionschef Dürr sagte am Sonntag den Funke-Zeitungen: "Ohne Zweifel braucht Deutschland mehr wirtschaftliche Dynamik. Deshalb befremdet es mich sehr, dass die Union das Wachstumschancengesetz und damit Entlastungen für die Unternehmen in diesem Land blockiert." Das zeige, "dass bei der Union Reden und Handeln leider oftmals nicht zusammenpassen". Dürr sagte zugleich, er freue sich "über jede Unterstützung für steuerliche Entlastungen".
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe): "Die Menschen und die Betriebe müssen entlastet werden. Dabei sind wir als FDP dankbar für jede Unterstützung." Er begrüße, "dass die Union Vorschläge macht". Djir-Sarai fügte hinzu: "Schnittmengen zu uns sind erkennbar, wenn dieser Vorstoß ernst gemeint ist." Auch er verwies auf das Wachstumschancengesetz. Die "Probe aufs Exempel" sei, wenn CDU und CSU ihre Blockade aufgäben.
SPD-Fraktionsvize Hubertz sagte der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe): "Natürlich schauen wir uns die Vorschläge genau an und beziehen sie in unsere Erwägungen mit ein." Für die Ampel-Koalition sei klar: "Die Stärkung unserer Wirtschaft steht gerade im Mittelpunkt unseres Handelns." Das Wachstumschancengesetz sei dazu ein zentraler Baustein. "Wenn von Seiten der CDU/CSU dahingehend konstruktive Vorschläge statt Blockaden kämen, "begrüßen wir das grundsätzlich".
Hubertz verwies auf die Äußerungen von Merz in der Bundestags-Haushaltsdebatte, als er die Zusammenarbeit mit der Regierung quasi aufgekündigt hatte. "Das ist schon ein ziemlicher Zick-Zack-Kurs", sagte die SPD-Politikerin. Merz hatte an Scholz' Adresse gesagt: "Ersparen Sie sich und uns in Zukunft bitte Ihre Aufrufe zur Zusammenarbeit.
Das von der "Ampel" geplante Wachstumschancengesetz sieht verschiedene Steuererleichterungen vor und soll Unternehmen jährlich um rund sieben Milliarden Euro entlasten. Es ist bereits im Bundestag beschlossen. Die Länder hatten das Gesetz aber im Bundesrat gestoppt, weil sie zu große Löcher in ihren Haushalten und denen der Kommunen befürchten. Am 21. Februar soll sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mit dem Konflikt befassen.
Die Unionsländer im Bundesrat hatten gefordert, als Voraussetzung für ihre Zustimmung die schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen zurückzunehmen. Dies hatte die Bundesregierung als "sachfremde Verknüpfung" kritisiert.