Nach einem iranischen Raketenangriff auf Israel befindet sich der Nahe Osten erneut in einer Phase gefährlicher Eskalation. Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten haben daher am Mittwoch eine Videokonferenz einberufen, um die sich zuspitzende Lage zu besprechen. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, derzeit Vorsitzende der G7, leitete das Treffen. Die internationale Gemeinschaft, darunter die Europäische Union und Deutschland, verurteilte den Angriff scharf und forderte eine Deeskalation, um einen regionalen Flächenbrand zu verhindern.
Am Dienstagabend feuerte der Iran rund 200 Raketen auf Israel ab. Laut der israelischen Armee wurden die meisten dieser Raketen – auch mit Hilfe eines US-geführten Verteidigungssystems – abgefangen. Dennoch wurden Ziele in Tel Aviv und im Westjordanland getroffen, was zu Toten und Verletzten führte. Laut Medienberichten zielte der Angriff auch auf israelische Luftwaffenstützpunkte und das Hauptquartier des Geheimdienstes Mossad. Es war der zweite Angriff innerhalb von fünf Monaten und führte zu massiven Spannungen zwischen den beiden Erzfeinden.
Die Hisbollah-Miliz, unterstützt vom Iran, meldete erstmals seit Beginn der israelischen Offensive Kämpfe an der Grenze zum Libanon. Israelische Bodentruppen sollen versucht haben, in den libanesischen Ort Udaissa einzudringen, wurden jedoch nach Angaben der Hisbollah zurückgeschlagen. Israel selbst bestätigte Angriffe auf "terroristische Ziele" in Beirut.
Der Angriff führte zu scharfen internationalen Reaktionen. Bundeskanzler Olaf Scholz warf dem Iran eine gefährliche Eskalation vor und warnte vor einem Flächenbrand in der Region. US-Präsident Joe Biden und sein Außenminister Antony Blinken verurteilten den iranischen Angriff und betonten erneut ihre unerschütterliche Unterstützung für Israel. Blinken bezeichnete den Angriff als "völlig inakzeptabel" und lobte die Zusammenarbeit zwischen Israel und den USA bei der Verteidigung des Landes.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu kündigte Vergeltungsmaßnahmen an und erklärte, dass der Iran "einen großen Fehler" gemacht habe, für den er "bezahlen" werde. Wie die "New York Times" berichtete, könnte Israel möglicherweise iranische Nuklearanlagen angreifen. Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natanz, dem Zentrum des iranischen Atomprogramms, könnten im Fokus stehen. Netanjahu und der israelische Armeesprecher Daniel Hagari erklärten, man werde "zum Zeitpunkt und Ort eigener Wahl" reagieren.
Ein israelischer Angriff auf iranische Atomanlagen oder die Infrastruktur der Öl- und Gasindustrie könnte massive Auswirkungen haben. Es wird vermutet, dass ein solcher Schlag das Eskalationspotenzial erheblich erhöhen würde. Sollte Israel auf diese Weise reagieren, wären schwere Gegenangriffe durch den Iran wahrscheinlich, was zu einem umfassenderen Krieg führen könnte.
Während die militärischen Spannungen zunehmen, verschlechtert sich die humanitäre Lage im Libanon drastisch. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) schickte eine erste Lieferung medizinischer Hilfsgüter nach Beirut, um die zunehmenden Opferzahlen zu bewältigen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen warnte, dass das Gesundheitssystem im Libanon bereits vor den israelischen Luftangriffen "am Limit" gewesen sei. Nun fehlt es neben medizinischem Material auch an grundlegenden Gütern wie Trinkwasser, Decken und Hygienesets.
Die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen drängen auf einen sofortigen Waffenstillstand, um humanitäre Korridore zu schaffen und die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherzustellen.
Die jüngsten Angriffe unterstreichen, wie fragil die Lage im Nahen Osten ist. Israel sieht sich seit dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 zunehmend einem Mehrfrontenkonflikt ausgesetzt, bei dem auch der Iran eine Schlüsselrolle spielt. Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, stehen vor der Herausforderung, die Region zu stabilisieren, ohne in einen umfassenden Krieg verwickelt zu werden – insbesondere inmitten eines US-Präsidentschaftswahlkampfs.
Iran, das wirtschaftlich durch internationale Sanktionen und interne Unruhen geschwächt ist, könnte auf der Suche nach außenpolitischen Erfolgen sein, um seine Position in der Region zu stärken. Ein direkter Konflikt mit Israel birgt jedoch enorme Risiken, nicht nur für Teheran, sondern für den gesamten Nahen Osten.
Die internationale Diplomatie läuft auf Hochtouren, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Doch solange militärische Aktionen die Dynamik bestimmen, bleibt die Lage hochexplosiv. Eine zentrale Frage bleibt, ob es gelingt, eine diplomatische Lösung zu finden, bevor der Konflikt weiter außer Kontrolle gerät und auch andere Staaten in der Region in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die kommenden Tage und Wochen werden entscheidend sein, ob der Nahe Osten auf eine großflächige militärische Auseinandersetzung zusteuert oder ob es der internationalen Gemeinschaft gelingt, den Konflikt einzudämmen und die humanitäre Krise zu lindern.